gespielt hat. Dies hat bei nicht wenigen Deutschen das Vorurteil „bestätigt“, es ginge „den Juden“ bei der Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Holocaust vorrangig um ökonomische Vorteile. · Neu gegenüber 1951 hinzugekommen ist das Vorurteil vom nachtragenden Juden. Es spiegelt eine wichtige Facette im deutsch-jüdischen Verhältnis wider, nämlich die Tatsache, dass die Juden als Mahner an die Verbrechen der NS-Vergangenheit gesehen werden, die angeblich nicht vergessen und vergeben wollen. Fast ein Drittel der befragten Deutschen (29 Prozent) hielt die Juden für „empfindlich, nachtragend und unversöhnlich“. Dieses neue Bild kann allerdings auf einem älteren und immer noch wirksamen religiösen Stereotyp aufbauen, nämlich dem des „rachsüchtigen“ jüdischen Gottes („Rache bis ins siebte Glied“), dem der christliche Gott der Liebe und Vergebung entgegengesetzt wird. Antisemitismus heute Wie ist es nun zu erklären, dass bestimmte Dimensionen des antijüdischen Vorurteils noch von vielen Deutschen geteilt werden und andere nicht mehr, obwohl nichtjüdische Deutsche mit Juden im Alltagsleben kaum je zusammentreffen? Die Erklärung liegt darin, dass sich vor allem die Vorurteile gehalten haben, die sich mit neuen Inhalten haben füllen lassen, die also die alten Vorurteile scheinbar „bestätigen“. Diese Inhalte ergeben sich primär aus den Problemen, die die Deutschen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit haben. Anders als bei den Vorbehalten gegen Ausländer gibt es gegenüber den Juden in Deutschland kaum Gefühle einer ökonomischen Konkurrenz oder einer kulturellen Bedrohung durch eine große Zahl von Zuwanderern; auch Rassismus ist hier ohne Bedeutung. Umfragen zeigen, dass die soziale Distanz zu Juden heute sehr gering ist. Auch der religiöse Gegensatz zwischen Judentum und Christentum spielt weder in den Kirchen noch in der Bevölkerung eine wesentliche Rolle. Die Motive des Antisemitismus liegen vorwiegend in dem Schuldgefühl gegenüber den Juden, das in verschiedener Weise abgewehrt wird: · Man schreibt den Juden eine Mitschuld an ihrer Verfolgung zu: Dies tun seit fünf Jahrzehnten circa 20 Prozent der deutschen Bevölkerung, die glauben, „dass die Juden mitschuldig sind, wenn sie gehasst und verfolgt werden“. Hier haben wir es mit der Denkweise „Wo Rauch ist, ist auch Feuer“ zu tun, die aus der Tatsache, dass Juden in der europäischen Geschichte häufig verfolgt wurden, schließt, dafür müsse es Gründe im Verhalten der Juden gegeben haben. Es ist deshalb für die Entkräftung von Vorurteilen wichtig, sich historisch die gesamte Breite der christlich-jüdischen Beziehungen zu vergegenwärtigen und diese nicht auf eine reine Konflikt- und Verfolgungsgeschichte zu reduzieren. · Man unterstellt den Juden, dass sie ihre Leiden unter der NS-Verfolgung heute dazu benutzen, um möglichst hohe Summen an „Wiedergutmachungs“-Geldern zu kassieren. Dieses Vorurteil verbindet sich mit dem traditionellen Bild des „geldgierigen, betrügerischen und ausbeuterischen Juden“. Eng verbunden damit ist die Vorstellung vom großen Einfluss, den Juden ausüben, um die Deutschen zu weiteren Zahlungen zu zwingen. Auch hier kann sich das neue Motiv mit dem
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alten Vorurteil von der „jüdischen Weltmacht“ verbinden, das heute ebenfalls noch von vielen Deutschen vertreten wird. Der Vorwurf, die Juden würden ihren Einfluss geltend machen, um die Deutschen auszubeuten, ist ein klassisches Beispiel für die im Antisemitismus generell zu beobachtende Täter-Opfer-Umkehr. · Die Juden werden als „Störenfriede“ gesehen, die durch ihr Beharren auf der Erinnerung an den Holocaust – der Schriftsteller Martin Walser sprach 1998 öffentlich von der „Moralkeule Auschwitz“ – permanent an eine Periode deutscher Geschichte gemahnen, die viele gern vergessen würden: Jeweils zwei Drittel der Deutschen würden am liebsten „einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit“ ziehen. Auch hier verbindet sich ein aktuelles Unbehagen mit alten, aus dem Antijudaismus stammenden Negativurteilen über die „alttestamentarische Vergeltungssucht“ der Juden. · Durch die Gründung des jüdischen Staates ist eine neue Vorurteilsdimension hinzugekommen, indem man nun die einheimischen Juden, die deutsche Staatsbürger sind, für die Politik Israels verantwortlich macht. Hier treffen wir auf ein weiteres wichtiges Motiv des heutigen Antisemitismus unter Deutschen: Die eigene Schuld an der Verfolgung der Juden soll verkleinert werden, indem man sie gegen Menschenrechtsverletzungen der Israelis im Nahostkonflikt aufrechnet. 17 Prozent waren 1987 der Meinung, dass das, „was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, im Prinzip auch nichts anderes ist als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben“ (33 Prozent unentschieden, 50 Prozent stimmten nicht zu). · Mit der Zuwanderung von Aussiedlern, Osteuropäern und Muslimen kommen allerdings auch andere „Spielarten“ des Antisemitismus nach Deutschland, sodass auch religiöse Formen des Vorurteils (Antijudaismus) und vor allem ein antizionistisches Feindbild, gespeist durch den arabisch-israelischen Konflikt, anzutreffen sind. "Zigeuner" und Juden in der Literatur nach 1945 Die Nachkriegsliteratur hat nur wenige „Zigeuner“- und Judenfiguren hervorgebracht; erkennbar sind sie an ihren meist stereotypen und grob vereinfachenden Charakterisierung- en. Der „Zigeuner“ und der Jude sind gängige Projektionsfiguren für das „Andere“ oder das unverstandene „Fremde“ einer Gesellschaft, wobei die ihnen zugeschriebenen Merkmale zu den typischen Eigenschaften ihres ganzen Volkes stilisiert werden. Judendarstellungen
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