ordnungspolitischer Überzeugung der mit Unternehmern und Gewerkschaftern paritätisch besetzten Treuhandorganisation des westdeutschen Kohlenbergbaus und den Industrieverbänden. Sie lösten die Aufgabe, indem sie den einzelnen Branchen die verfügbare Menge an Kohlen nach bestimmten Dringlichkeitsstufen zuteilten, ohne jedoch den amerikanischen Wünschen nach einer rigiden Bewirtschaftung nachzukommen. Die Überwindung der Zahlungsbilanzkrise stellte Erhards Wirtschaftspolitik auf eine härtere Probe. Auslöser der Krise waren ein rasanter Anstieg immer teurer werdender Rohstoff- und Nahrungsmittelimporte und die gleichzeitige Liberalisierung des Außenhandels im Rahmen der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Organization for European Economic Cooperation: OEEC), der Westdeutschland, zunächst vertreten durch die Militärregierungen, seit ihrer Gründung im April 1948 angehörte. Unter dem Dach der OEEC war Mitte 1950 zur multilateralen Verrechnung der Überschüsse und Defizite im Handel mit den Mitgliedsländern die Europäische Zahlungsunion (EZU) gegründet worden, die auch längerfristige Kredite gewährte, um einem Land trotz eines akuten Defizits weitere Einfuhren zu ermöglichen. Als die Bundesrepublik diesen Kreditrahmen zu überschreiten drohte, setzte die Regierung die Handelsliberalisierung widerstrebend außer Kraft, um durch Importbeschränkungen, exportfördernde Maßnahmen und eine nachfragedämpfende Erschwerung der Kreditaufnahme Ein- und Ausfuhren wieder ins Gleichgewicht bringen zu können. ABM Im Widerspruch zur liberalen Wirtschaftskonzeption standen schließlich neben einem Paket von Arbeits- beschaffungsmaßnahmen auch die wiederum von den Unternehmerverbänden in eigener Regie vorgenommene, vom Gesetzgeber mit Steuervergünstigungen honorierte Investitionslenkung zugunsten der Kohle- und Stahlindustrie, der Energie- und Wasserwirtschaft und der Bundesbahn. Die rechtliche Grundlage dieser Aktion bildete das Investitionshilfegesetz vom Januar 1952, das die gewerblichen Unternehmen dazu verpflichtete, insgesamt eine Milliarde DM zur Deckung des Investitionsbedarfs der Grundindustrien aufzubringen. Zu dieser ungewöhnlichen Maßnahme hatten sich die Spitzenverbände der Industrie entschlossen, nachdem deutlich geworden war, dass die Unternehmen der betreffenden Wirtschafts- zweige aus eigener Kraft nicht in der Lage und die anderen Branchen freiwillig nicht bereit waren, die dringend erforderlichen Investitionen zu finanzieren. Im Grunde
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bedeutete dies eine Ausschaltung der nach der Verfassung für die Wirtschaftspolitik zuständigen Bundesregierung, zumal die Verbände die staatliche Entscheidung nicht nur beeinflusst, sondern selbst formuliert hatten. Zweifellos konnten insbesondere die Unternehmerverbände - der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) - in den krisenhaften Anfangsjahren der Bundesrepublik ihren Einfluss zu Lasten der Regierung vergrößern - allerdings nur vorübergehend: Die Entspannung auf den internationalen Rohstoffmärkten, die Normalisierung des westdeutschen Kapitalmarkts, der Umschwung in der Zahlungsbilanz und der wachstumsbedingte Rückgang der Arbeitslosigkeit regenerierten und rehabilitierten Erhards Soziale Marktwirtschaft. Deren konstitutive Elemente waren eine liberale, wettbewerblich ausgerichtete Ordnung, soziale Sicherheit und wirtschaftspolitische Gewaltenteilung. Zum Schutz dieser Grundpfeiler bedurfte es eines ”starken” Staates, der eingriff, wenn ihnen Gefahr drohte. Sozialer Frieden Zwei wichtige Voraussetzungen für die wirtschaftliche Stabilisierung und den folgenden Aufschwung verdienen noch erwähnt zu werden: die Anfänge der Sozialpartner- schaft und die innere und äußere Bereinigung der Kriegsfolgen. Um die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, waren allerdings heftige Auseinandersetzungen vonnöten. Im Zeichen des Booms bedingten sich wirtschaftliche Prosperität und sozialer Frieden wechselseitig. Während einer Aufschwung- phase hätten störende Einflüsse wie zum Beispiel Arbeitskämpfe jedoch leicht den Aufwärtstrend verzögern oder stoppen können. Dass in der Bundesrepublik dergleichen nicht passierte, war nicht zuletzt der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Unternehmen der beiden Schlüsselindustrien Kohle und Stahl zu verdanken. Die britische Militärregierung hatte diese Form kooperativer Betriebsleitung 1947 im Zuge der Entflechtung der großen, kaum zu kontrollierenden Stahlkonzerne gegen starke Widerstände seitens der betroffenen Besitzer und Manager durchgesetzt. Als nach der Gründung der Bundesrepublik im Herbst 1949 Forderungen nach einer bundeseinheitlichen, branchenübergreifenden Regelung laut wurden, versuchten die Unternehmer, ihre betriebliche
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