Weise ein Konsumverzicht verlangt, der angesichts des seit 1948 einsetzenden westdeutschen ”Wirtschaftswunders” zu einem tiefen Interessenkonflikt im Osten Deutschlands führte. Zudem konnten die DDR-Verbraucher bis zum Mauerbau den West-Ost-Vergleich durch einen Besuch in Westdeutschland oder eine S-Bahnfahrt in Berlin noch selbst durchführen. Das Ergebnis solcher Konsumvergleiche ”vor Ort” ließ berechtigte Zweifel an den Fähigkeiten des planwirtschaftlichen Systems der DDR aufkommen. Es gab frühzeitig von seiten der SED den Versuch, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Einmal wurden die schon im 19. Jahrhundert entstandenen Interessengemeinschaften der Verbraucher, die Konsumgenossenschaften (KG), wieder zum Leben erweckt, nachdem sie während des Krieges aufgelöst worden waren. Sie sollten hauptsächlich die Versorgung der Bevölkerung auf dem Land mit Konsumgütern absichern helfen. Eine besondere Rolle spielten die Läden der 1948 gegründeten staatlichen Handelsorganisation (HO). Die HO-Läden sahen für östliche Verhältnisse sehr westlich aus und galten als der ”kleine Westen im Osten”. In ihnen wurden rationierte Waren frei verkauft und für damalige Verhältnisse im ”Überfluss” angeboten. Jedoch waren die angebotenen Erzeugnisse anfangs stark überteuert. Mit der HO schuf die SED neben der Rationierungswirtschaft ein zweites Verkaufssystem, auf dessen Basis die Kaufkraft der besserverdienenden Schichten abgeschöpft werden sollte. Von Anfang an zeigte sich hier ein gravierender Widerspruch in der Konsumpolitik der DDR, die auf der einen Seite die gleichmäßige Verteilung des Wohlstandes unter alle Mitglieder der Gesellschaft propagierte, und im Gegenzug mit den HO-Läden ein staatlich verordnetes Zweiklassensystem von Käufern schuf. Anfang der fünfziger Jahre war der Westen jedoch noch nicht der alles bestimmende Vergleichsmaßstab in der Bevölkerung. Vielmehr wurde das Denken zu diesem Zeitpunkt durch Vorstellungen über den Lebensstandard der Vorkriegszeit beeinflusst. Der Blick nach Westen kam erst in zweiter Linie zum Tragen. Immerhin hatten die Rationierungen, Ernährungs- und Versorgungskrisen, die Wohnraumknappheit, der Zusammenbruch eines sozialen Wertesystems und das Empfinden eines sozialen Abstieges während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit tiefe Spuren im Gedächtnis der Bevölkerung hinterlassen. Die Erwartungshaltungen waren weit nach unten geschraubt. Jede Verbesserung der Lebenslage wurde dankbar als Rückkehr in die ”friedensmäßige” Versorgung der Vorkriegszeit
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angesehen. Je deutlicher sich jedoch die Versorgungssituation der Bevölkerung im Westen zu verbessern begann und eine jüngere Generation mit anderen Wertvorstellungen heranwuchs, um so mehr verschob sich der Vergleichsmaßstab im Verlauf der fünfziger Jahre in Richtung Westen. Das Wohlstandsniveau Westdeutschlands wurde zum eigentlichen Gradmesser, zum ”Maß für die eigene Unzufriedenheit”. Langer Abschied von der Lebensmittelkarte Mit Blick auf die Entwicklung in Westdeutschland hatte die SED-Führung noch 1951 - ungeachtet der schwierigen Wirtschaftslage - im Gesetz des 1. Fünfjahrplanes (1951-55) die Aufhebung der Lebensmittelrationierung für das Jahr 1953 vorgesehen. Doch mit der Verkündung des Aufbaus des Sozialismus im Sommer 1952 vollzog die SED-Spitze einen radikalen wirtschaftspolitischen Kurswechsel, der eine Aufhebung der Lebensmittelrationierungen in weite Ferne rücken ließ. Als Folge der Aufbau-Entscheidung sank 1952/53 der Lebensstandard der Bevölkerung unter das Niveau des Jahres 1947. Die Lücken im Warenangebot wurden noch größer, Stromabschaltungen häuften sich wieder, die Situation des Transportwesens erreichte einen kritischen Punkt. Hinzu kamen Lohneinbußen, Normerhöhungen und Preissteigerungen. Eine große Unzufriedenheit machte sich in der Bevölkerung breit, die zum Aufstand am 17. Juni 1953 führte. Danach vermied es die Parteiführung tunlichst, eine soziale Unzufriedenheit unter der Bevölkerung über das noch beherrschbare Maß hinaus aufkommen zu lassen. Um die Lage zu stabilisieren kam es 1953/54 kurzfristig zu weitreichenden Mittelumverteilungen in den konsumtiven Bereich und zu beachtlichen Preissenkungen. Seit dieser Zeit galt für die SED-Führung bis zum Ende der DDR die Regel, weder in den Preisen noch in den Arbeitsnormen noch in der Lohnstruktur abrupte Veränderungen vorzunehmen. Das Rationierungssystem musste allein schon aus politischen Gründen aufrechterhalten werden, um weiterhin über ein direktes und wirksames Regulierungsinstrument für den privaten Konsum der Bevölkerung zu verfügen. Zugleich sicherte die Rationierung der Bevölkerung ein Mindestmaß an Zuteilung bestimmter knapper Güter und ermöglichte, dass die weiterhin bestehenden Versorgungsengpässe beherrschbar blieben. Insgesamt funktionierte das Rationierungs- system jedoch nicht mehr als ein System der gerechten Verteilung von Mangelwaren, sondern als Teil eines Preisregulierungs- systems. Durch mehrfache
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