Deutsche Geschichten
Wege zur Einheit
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Zwei-plus-Vier-Verhandlungen

Die Vorbereitungen für die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen begannen auf der Ebene der politischen Direktoren der Außenministerien der beiden deutschen Staaten und der Vier Mächte mit zwei Treffen in Bonn und Berlin am 14. März und 16. April. Die Direktoren verständigten sich darauf, dass die Bündniszugehörigkeit des vereinigten Deutschland, die Stärke der Bundeswehr und Sicherheitsgarantien für die deutschen Nachbarn, die endgültige Festlegung der polnischen Westgrenze, der Abzug der alliierten Streitkräfte, die Aufhebung der alliierten Vorbehaltsrechte sowie die Wiederherstellung der vollen völkerrechtlichen Souveränität Deutschlands im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen sollten. Die Sowjetunion versuchte, auch den Abschluss eines Friedensvertrages auf die Tagesordnung zu setzen, nahm davon jedoch auf Drängen des Leiters der Bonner Delegation, Dieter Kastrup, wieder Abstand. Kastrup wies nämlich darauf hin, dass Gespräche über dieses Thema auch viele andere Staaten einbeziehen müssten, mit denen das Dritte Reich sich formell im Kriegszustand befunden hatte. Polen dagegen sollte zu der Konferenz hinzugezogen werden, wenn das Thema Oder-Neiße-Linie zu behandeln war.
Die ersten Verhandlungen auf Außenministerebene fanden am 5. Mai 1990 in Bonn statt. Danach traf man sich erneut im Juni in Berlin, im Juli gemeinsam mit polnischen Vertretern in Paris (wo es um die polnische Westgrenze ging) und ein letztes Mal Anfang September in Moskau. Dort wurde am 12. September 1990 auch der "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" unterzeichnet, der einen Quasi-Friedensvertrag darstellte und die seit 1945 offene "deutsche Frage" endlich klärte.

Neutralität oder NATO-Mitgliedschaft

Die Diskussion über den künftigen militärischen Status Deutschlands war bereits vor Ottawa überaus intensiv gewesen. Dabei hatte die amerikanische Regierung ebenso wie Paris und London von Anfang an darauf bestanden, dass sich der Wiedervereinigungsprozess "im Rahmen der fortbestehenden Verpflichtungen Deutschlands gegenüber der NATO" bewegen müsse, wie es ein wenig unbestimmt hieß. Die sowjetische Führung hatte dagegen im Einklang mit Ministerpräsident Modrow dafür plädiert, dass ein "vereinigtes deutsches Vaterland" neutral sein müsse und weder der NATO noch dem Warschauer Pakt angehören dürfe. Zwischen beiden Positionen hatte Bundesaußenminister Genscher zu vermitteln versucht, als er in einer Rede in der Evangelischen Akademie Tutzing am 31. Januar 1990 erklärt hatte, dass das vereinigte Deutschland zwar Mitglied der NATO sein müsse, NATO-Streitkräfte aber nicht in Ostdeutschland stationiert werden sollten, so dass der Westen aus einer deutschen Wiedervereinigung keinen militärischen Vorteil ziehe.
Der Genscher-Vorschlag wurde zunächst in Kreisen der amerikanischen Regierung als "ein sehr positiver Beitrag" zur Überbrückung der Differenzen zwischen Ost und West begrüßt. Jeder Gedanke an Neutralisierung wurde indessen von den USA ebenso wie von den anderen westlichen Ländern einmütig verworfen. Auch unter den Verbündeten der UdSSR stieß Modrows Konzept auf wenig Gegenliebe.
So ließ der tschechoslowakische Präsident Vaclav Havel am 6. Februar US-Außenminister Baker wissen, dass er ein neutrales Deutschland ablehne und dies auch Gorbatschow mitteilen werde. In ähnlicher Weise bemerkte der polnische Außenminister Krzystof Skubiszewski am folgenden Tag gegenüber Bundeskanzler Kohl, er könne einer Neutralität nichts abgewinnen und teile die Auffassung des Bundeskanzlers, dass Deutschland nicht neutralisiert werden dürfe. "Für uns Polen", so Skubizszewski, "ist die Einbindung Deutschlands entscheidend."

In Ottawa war es jedoch noch zu früh, diese Frage zu entscheiden, da Moskau sich noch nicht mit der vollständigen Westintegration eines wiedervereinigten Deutschlands abfinden mochte. Statt dessen spielte Außenminister Schewardnadse mit der Idee einer gesamteuropäischen Sicherheitslösung im Rahmen der KSZE, die auch von Genscher und seinem italienischen Amtskollegen Gianni De Michelis vorübergehend aufgegriffen wurde: Eine "zweite Schlussakte von Helsinki" solle "paneuropäische Institutionen" schaffen, um langfristig die bestehenden Militärbündnisse zu ersetzen.
Nach dem Treffen von Ottawa wurde allerdings rasch deutlich, dass Moskau keine andere Möglichkeit mehr sah, als ein wiedervereinigtes Deutschland in der NATO zu akzeptieren. Bereits am 15. Februar verlautete aus sowjetischen Regierungskreisen, dass die Forderung nach entmilitarisierter Neutralität inoffiziell bereits aufgegeben sei. Denn, so ein hochrangiger Funktionär der KPdSU: "Wir haben unsere Fähigkeit eingebüßt, auf die deutsche Innenpolitik Einfluss zu nehmen. Wir haben keine Zeit mehr, eine langfristige außenpolitische Strategie zu praktizieren." Da die Tschechoslowakei, Ungarn und Polen ebenfalls einen baldigen Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus ihren Ländern wünschten, wuchs der Druck auf Moskau, möglichst schnell eine Vereinbarung mit dem Westen abzuschließen, damit auf dieser Basis ein genereller Truppenrückzug zustande komme.
Überdies drohte inzwischen nicht nur der Zerfall des sowjetischen Imperiums in Osteuropa, sondern auch die Auflösung der Sowjetunion selbst. Nachdem das Zentralkomitee der KPdSU am 7. Februar 1990 durch Änderung des Artikels 6 der sowje-tischen Verfassung das Machtmonopol der Partei beseitigt hatte, war die Kritik an den innersowjetischen Verhältnissen dramatisch gestiegen. Unkontrollierte Massendemonstrationen zogen durch Moskau. In Aserbaidschan, Tadschikistan und Armenien kam es bei ethnischen Auseinandersetzungen zu blutigen Kämpfen. Am 12. Februar - einen Tag vor Modrows Besuch in Bonn und noch vor der Konferenz von Ottawa - teilte Gorbatschow deshalb dem DDR-Ministerpräsidenten telefonisch mit, dass es fraglich sei, ob die sowjetische Führung in der Lage sein werde, an der Forderung nach einem Verzicht des vereinigten Deutschland auf NATO-Mitgliedschaft festzuhalten.

Grenze zu Polen

Die Frage der endgültigen Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze spielte nicht erst im Rahmen der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen eine Rolle, sondern war bereits im Sommer 1989 zu einem Thema geworden, als die rechtsradikale Partei der "Republikaner" bei Kommunalwahlen in Westberlin 7,5 Prozent und bei den Wahlen zum Europa-Parlament 7,1 Prozent erhalten hatte. Um weitere Erfolge der Rechten zu verhindern, hatten konservative Politiker daraufhin argumentiert, die Gebiete östlich der Oder und Neiße müssten einbezogen werden, wenn die Deutsche Frage wieder auf die Tagesordnung kommen sollte. Bundesaußenminister Genscher hatte sich dadurch veranlasst gesehen, in einer Rede vor der UNO am 27. September 1989 im Namen der Bundesregierung zu erklären, dass das Recht des polnischen Volkes, "in sicheren Grenzen zu leben, von uns Deutschen weder jetzt noch in Zukunft durch Gebietsansprüche in Frage gestellt wird". Der Bundestag hatte diese Stellungnahme am 8. November durch eine Resolution bekräftigt.
Tatsächlich war die politische Konstellation ebenso eindeutig wie die Rechtslage: Juristisch betrachtet konnte eine endgültige Fixierung der Grenzen erst in einem künftigen Friedensvertrag oder einer entsprechenden Regelung mit einem wiedervereinigten Deutschland erfolgen; der seit der Potsdamer Konferenz 1945 bestehende Status besaß damit nur vorläufige Gültigkeit.

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