Deutsche Geschichten
Aufstand DDR
Aufstand DDR
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17. Juni über 167 der 217 Land- und Stadtkrei-
se den Ausnahmezustand. In Berlin tritt der Ausnahmezustand um 13.00 Uhr in Kraft. Es gilt ab diesem Zeitpunkt das Kriegsrecht. Damit übernimmt die Sowjetunion für die Zeit des Ausnahmezustandes wieder die oberste Regierungsgewalt. Nur das massive Eingreifen sowjetischer Truppen rettet letztlich die SED-Herrschaft. Im DDR-Rundfunk wird um 14.00 Uhr eine Erklärung von Ministerpräsident Otto Grotewohl verlesen. Darin wird ausdrücklich noch einmal die Rücknahme der Normer-
höhungen erklärt. Der Aufstand jedoch sei "das Werk von Provokateuren und faschisti-
schen Agenten ausländischer Mächte und ihrer Helfershelfer aus deutschen kapitalistischen Monopolen". Alle "Arbeiter und ehrlichen Bürger" werden aufgefordert mitzuhelfen, "die Provokateure zu ergreifen und den Staatsor-
ganen zu übergeben".
Mitunter dauert es Stunden, bis die Militärs die Situation unter ihre Kontrolle gebracht haben. In Ostberlin versucht man zudem, die Sekto-
rengrenze nach Westberlin weitgehend abzu-
riegeln. In den DDR-Bezirken besetzen die sowjetischen Truppen alle wichtigen militäri-
schen Knotenpunkte und strategischen Positionen und bauen diese zum Teil zu Stellungen aus. Fast stündlich berichten die sowjetischen Verantwortlichen in der DDR, der sowjetische Hochkommissar Wladimir Semjonow sowie Andrej Gretschko, die aktuel-
le Lage nach Moskau.
Trotz des Ausnahmezustandes und der sowje-
tischen Militärpräsenz in Ostberlin und in den Bezirken flammen während des Nachmittags und auch noch am Abend immer wieder Unruhen auf. Es gibt weiterhin Proteste, Auseinandersetzungen und Ausschreitungen. In Berlin brennt gegen 17.00 Uhr das Columbus-Haus am Potsdamer Platz; in Halle versammeln sich um 18.00 Uhr schätzungs-
weise noch einmal 60.000 Menschen zu einer Kundgebung.
Um 12.30 Uhr hat die Bundesregierung in Bonn auf einer eiligst einberufenen Sondersitzung beschlossen, wegen der Unruhen in Ost-Berlin laufend Verbindung mit der Alliierten Hohen Kommission zu halten. Am Nachmittag erhält Bundeskanzler Konrad Adenauer eine knappe Information über die Ereignisse. Bonn ist besorgt, dass eine für den Abend in Westberlin anberaumte Solidaritätskundgebung zur Eskalation führen könnte. Um 14.30 Uhr wiederholt Adenauer in einer Regierungs-
erklärung vor dem Bundestag den Appell von Jakob Kaiser vom Vortag und beschwört die Deutschen im Osten, sich nicht zu unbedachten Handlungen hinreißen zu lassen.
Ein abendlicher Bericht aus Berlin an das Auswärtige Amt (Stand 18.00 Uhr) informiert über Besorgnisse der alliierten Stadtkomman-
danten in Westberlin, dass die Westsektoren in die Ereignisse hineingezogen werden könnten.
Schon am Vormittag sind die alliierten Stadt-
kommandanten in West-Berlin zu einer Sitzung zusammengekommen. Vergeblich haben sie versucht, eine Verlegung des dicht an der Sektorengrenze gelegenen Veranstaltungs-
ortes für die Westberliner Sympathiekund-
gebung zu erreichen. Sie warnen den amtierenden Bürgermeister Walter Conrad und Polizeipräsidenten Johannes Stumm vor

"ernsthaften Konsequenzen", falls sich Westberliner an den Unruhen im Ostteil der Stadt beteiligen sollten. Am Abend weisen sie in einer Presseerklärung die Unterstellung, alliierte oder westberliner Stellen hätten die Demonstrationen herbeigeführt, scharf zurück.
Die auf dem Kreuzberger Oranienplatz in Westberlin um 18.00 Uhr von der SPD anberaumte Solidaritäts- und Sympathiekund-
gebung, zu der etwa 35.000 Menschen zusam-
menkommen, verläuft schließlich ohne Zwischenfälle.
Zwischen 21.00 und 5.00 Uhr wird DDR-weit eine Ausgangssperre verhängt. In den Abendstunden kann der Befehlshaber der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland schließlich nach Moskau melden, dass im Land weitgehend Ruhe herrsche und die Lage unter Kontrolle sei. Nur wenige Menschen seien inhaftiert worden, weil sie die Ausgangssperre nicht beachteten; der RIAS habe die Aufständi-
schen dazu aufgerufen, den Anweisungen der sowjetischen Militärs Folge zu leisten.
Am Abend erst geht der Westberliner Regierende Bürgermeister Ernst Reuter, der sich zum Europäischen Städtetag in Wien aufhält, in einer Rede auf die Lage in Berlin ein: "Niemand kann auf die Dauer wagen, angesichts der ganzen Welt ein solches System einer verfluchten Tyrannei aufrecht zu erhalten. Wir haben gestern und heute in Berlin gesehen nach all den Nachrichten, die zu uns gekommen sind, und Sie werden, meine lieben Freunde mir verzeihen und verstehen, wenn ich sage, manchmal sind meine Gedanken mehr in Berlin als hier, - wir haben gespürt, dass das Volk von Berlin, ungebrochen auch in Ostberlin, aufgestanden ist wie ein Mann und seine Meinung gesagt hat, wo es in Wirklichkeit steht. Wenn das Wort Demokratie überhaupt noch einen Sinn hat, dann sollen doch die Führer der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik, wie sie sich stolz nennen, endlich die Demokratie in ihrem eigenen Lande einführen und dem Volk die Möglichkeit geben, abzustimmen und zu wählen. Ohne die sowjetische Besatzungs-
macht würde ich heute ganz alleine ins Rathaus des Ostsektors von Berlin gehen und würde die Geschäfte als Regierender Bürgermeister von ganz Berlin übernehmen, geschützt von der jubelnden Zustimmung der ganzen Berliner Bevölkerung."
Im Abgeordnetenhaus in Westberlin findet ab 22.36 Uhr in Abwesenheit Reuters eine Sondersitzung statt. Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Otto Suhr, gibt bekannt, dass die Zahl der Toten in Berlin auf sieben angestiegen ist, die Zahl der Verletzten auf 66. Die Abgeordneten gedenken der Opfer des Aufstandes.

Wie viele Menschen sich an diesem Tag im ganzen Land an den Demonstrationen und Streiks beteiligen, ist bis heute unklar. Die Zahlenangaben schwanken zwischen 400.000 und 1,5 Millionen Menschen. Darüber hinaus gibt es keine genauen Zahlen über alle Todesopfer. Die Angaben bewegen sich zwischen 50 und 125 Toten.

Weitere Informationen zum Thema finden sie unter: www.17juni53.de

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