Trotz des erbitterten Durchhaltewillens der deutschen Soldaten war der militärische Zusammenbruch absehbar, auch weil der Kollaps der deutschen Kriegswirtschaft drohte. Von Speer schon seit dem Spätsom- mer 1944 vorhergesehen und in einer Denk- schrift vom 15. März 1945 bekräftigt, war er weniger Folge der anhaltenden Bombardements der Westalliierten auf die deutsche Rüstungsindustrie, als vielmehr Folge des Verlustes verschiedener Rohstoffquellen wie etwa der rumänischen Erdölquellen und der Zerstörung des Verkehrsnetzes. Eine nachhaltige Wirkung erzielten die alliierten Bomberflotten mit ihren Angriffen auf Eisenbahnknotenpunkte, Brücken und Kanäle, ab Frühjahr 1944 auch auf die Ölraffinerien und Hydrierwerke. Die Zerstörungen der übrigen Industriebetriebe, die teilweise schon ausgelagert waren, hielten sich in Grenzen oder konnten rasch wieder behoben werden. Auch die Angriffe auf deutsche Wohngebiete, die 3,37 Millionen Wohnungen und vier Fünftel aller deutschen Großstädte zerstörten und mehr als 600000 Menschen das Leben kosteten, haben weder die Waffenproduktion noch die Moral der deutschen Bevölkerung wirklich brechen können. Nicht allein die technische und materielle Überlegenheit der Alliierten ließ die deutsche Niederlage seit 1943 unausweichlich werden, sondern auch Defizite in der Planung, Fehlentscheidungen in der Rüstungsplanung und in der operativen Führung, die auf die destruktiven Wirkungen des Führungschaos an der politischen Spitze des Reiches zurückgingen. Die selbstzerstörerischen Kräfte, die im politischen System des „Dritten Reichs“ angelegt waren, kamen in seinem Untergang deutlich zum Vorschein. Am 30. Januar 1945,
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als Hitler in einer Rundfunkansprache zum zwölfjährigen Jubiläum der NS-Machtüber- nahme wieder einmal den Durchhaltewillen angesichts der drohenden Gefahr des „asiatischen Bolschewismus“ beschworen hatte, unterbreitete ihm Speer, dass nach dem bevorstehenden Verlust des Ruhrgebietes mit dem endgültigen Zusammenbruch der Wirtschaft zu rechnen sei und dass danach eine Fortsetzung des Krieges sinnlos wäre. Auch mit einer Denkschrift vom 15. März 1945 versuchte Speer Hitler davon zu überzeugen, dass er die letzten Reste der Wirtschaftsbasis für die Überlebenden erhalten müsse. Dies wollte Hitler nicht akzeptieren und ordnete am 19. März 1945 im sogenannten „Nero-Befehl“ die vollständige Zerstörung der deutschen Wirtschaft an. Der Rassenideologe sah keinen Grund mehr für die Erhaltung eines Volkes, das im Lebenskampf seiner Meinung nach unterlegen war. Das war auch Thema der Hasstiraden und Untergangsvisionen, die seine letzten Mitarbeiterbesprechungen im Führerbunker im April 1945 begleiteten: Das deutsche Volk habe versagt; es habe das Schicksal verdient, das es jetzt erwarte. Auch in seinem politischen Testament, das er am 30. April 1945 in seinem Bunker in Berlin angesichts der vorrückenden Roten Armee formulierte, blieb er der Ideologe und radikale Rassenantisemit, der er immer war. Mit einer Propagandalüge verabschiedeten sich der Diktator und sein Regime von der Welt: Am 1. Mai 1945 meldete der Rundfunk „dass unser Führer Adolf Hitler heute nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei bis zum letzten Atemzug gegen den Bolsche- wismus kämpfend, für Deutschland gefallen ist“. Tatsächlich hatte er sich am 30. April, gegen 15.30 Uhr mit Gift das Leben genom- men. SS-Leute hatten die Leiche im Garten der Reichskanzlei zu verbrennen versucht.
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