Militärbefehlshaber müssten ihre Befehle von einem sozialdemokratischen Beauftragten gegenzeichnen lassen. Jetzt komme es auf "Ruhe, Ordnung und Sicherheit" an. Die Menge war begeistert, der streng legalistisch den- kende Ebert entsetzt: "Du hast kein Recht, die Republik auszurufen! Was aus Deutschland wird, ob Republik oder was sonst, entscheidet eine Konstituante (verfassunggebende Natio- nalversammlung - Anm.d.Red.)!" schrie er seinen Parteifreund an. Zwei Stunden später proklamierte der "Spartakus"-Führer Karl Liebknecht vom Balkon des Berliner Stadtschlosses aus die "freie sozialistische Republik Deutschland". Er erklärte die "Herrschaft des Kapitalismus" für gebrochen und propagierte eine "neue staat- liche Ordnung des Proletariats" mit dem Ziel der "Vollendung der Weltrevolution". Die ge- gensätzlichen Reden von Scheidemann und Liebknecht ließen heftige Auseinandersetz- ungen zwischen reformorientierten und revo- lutionären Sozialisten erwarten. Am Morgen des 10. Novembers übertrug Wilhelm II. in Spa Hindenburg das militärische Oberkommando und trat mit dem Hofzug die Fahrt nach Holland ins Exil an. Ludendorff floh, verkleidet und mit falschen Papieren, nach Schweden. Machterhalt der wilhelminischen Eliten Die Entwicklung zwischen November 1918 und Januar 1919 bewirkte ein Abbremsen der Revolution - die Umwälzung blieb auf den politischen Bereich beschränkt. Eine Demo-kratisierung des öffentlichen Dienstes, der Wirtschaft und wichtiger gesellschaftlicher Einrichtungen fand nicht statt. Seit Eberts Aufrufen vom 9. November arbeiteten die Regierungs-, Verwaltungs- und Justizbehörden ohne wirksame Kontrolle weiter; selbst betont antidemokratische Beamte wurden nicht entlassen. Gymnasien und Universitäten - Hochburgen des Monarchismus, Nationalismus und Antisemitismus - blieben unreformiert. Die evangelischen Landeskirchen, deren Pfarrer- schaft sich (besonders in Preußen) mit wenigen Ausnahmen kritiklos mit Kaiser und Reich identifiziert hatte, mussten freilich auf das landesherrliche Kirchenregiment (das heißt auf die Stellung des Landesfürsten als Kirchen- oberhaupt) verzichten, das dem Protestantis- mus eine Vorrechtsstellung gegenüber dem Katholizismus gesichert hatte. Erst Mitte der zwanziger Jahre fanden die evangelischen Kirchen zu einer versöhnlicheren Haltung gegenüber der Republik. Generalität und Offizierskorps behielten ihre Stellung. Noch am Abend des 10. November 1918 unterstellte sich die OHL in einem Telefongespräch (bekannt als "Ebert-Groener-Bündnis") dem Rat der Volksbeauftragten, um ihrer Auflösung zu entgehen und ihre Autorität gegenüber den Soldaten zu festigen. Sie erließ
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sogar einen Befehl zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten im Feldheer - um "diese Bewegung in die Hand der Offiziere zu bekommen". Zwar wurden die kaiserlichen Militärs für die Demobilisierung noch gebraucht, aber die Volksbeauftragten versäumten es, der OHL gegenüber selbst- bewusst aufzutreten und deren Befugnisse auf das Nötigste zu beschränken. Stattdessen stärkten sie in zwei unbefristeten Erlassen vom 11. und 12. November 1918 die Autorität der Offiziere, während sie den Soldatenräten lediglich eine beratende Stimme in Verpflegungs-, Urlaubs- und Disziplinar- angelegenheiten zubilligten. Immerhin versuchten die Volksbeauftragten per Erlass vom 12. Dezember, eine "Freiwillige Volks- wehr" aufzustellen, die das kaiserliche Militär ersetzen konnte. Doch dieses Projekt scheiterte, weil nur wenige republikanisch und demokratisch gesinnte Weltkriegssoldaten noch zum Wehrdienst bereit waren. So blieb die alte Armee bestehen. Im Zuge der Demobilisierung schmolz sie unter der Regie der OHL bis zum Sommer 1919 auf einen Kern von etwa 150000 Mann zusammen, die der Republik und der Demokratie fast ausnahms- los fern standen. Auch die ostelbischen adligen und bürgerlichen Großgrundbesitzer, die im Kaiserreich den Großteil des höheren Offizierskorps stellten und das Rückgrat der Monarchie bildeten, kamen ungeschoren davon. Ihre Entmachtung wäre, zumal die Rätebewegung die Kleinstädte und Dörfer der Agrargebiete nicht erreicht hatte, nur durch Enteignung möglich gewesen; doch diese Forderung wurde von keiner gesellschaftlichen Gruppe erhoben.
Rätekongress Vom 16. bis zum 21. Dezember 1918 tagte im preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin der "Erste Allgemeine Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands". Reichsweit war auf je 200000 Einwohner bzw. je 100000 Soldaten ein Delegierter gewählt worden. Der Kongress führte eine Grundsatzdebatte über die Vor- und Nachteile des Rätesystems und der parlamentarischen Demokratie sowie über den richtigen Zeitpunkt der Wahl einer verfassunggebenden Nationalversammlung. Er fasste - jeweils mit großer Mehrheit - richtungweisende Beschlüsse: · Abgelehnt wurde der Antrag der USPD, am "Rätesystem als Grundlage der Verfassung einer sozialistischen Republik" festzuhalten und den Räten die "höchste gesetzgebende und Vollzugsgewalt" zuzugestehen. · Angenommen wurde der Antrag der MSPD, bis zur Regelung durch die Nationalver- sammlung die gesetzgebende und vollziehende Gewalt dem Rat der Volksbeauftragten zu übertragen und diesen nicht mehr durch den Berliner Vollzugsrat, sondern durch einen vom Kongress zu wählenden "Zentralrat der Deutschen Sozialistischen Republik" zu kontrollieren. In diesem Gremium war dann nur die MSPD vertreten. Die USPD boykottierte die Wahl, weil ihrer Forderung nach vollem Recht des Zentralrats, Gesetzen vor ihrer Verkündung zuzustimmen oder sie abzulehnen, nicht entsprochen worden war. Das Ende der Zusammenarbeit zwischen den beiden Linksparteien kündigte sich an.
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