Gesellen«. Die Parteien schlössen unter sich für die Dauer des Krieges einen »Burgfrie- den«, sich gegenseitig versichernd, auf die öffentliche Austragung von Meinungsver- schiedenheiten untereinander und gegenüber der Reichsregierung verzichten zu wollen. Der Kaiser sprach das später oft zitierte Wort: »Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!« Die von vielen oft vermisste innere Einheit schien nun Wirklichkeit geworden zu sein. Aber sie war nur in der Stimmung des Augenblicks und oberflächlich hergestellt. Die unerwartet lange Dauer des Krieges, durch die dem Volk immer schwerere Belastungen zugemutet wurden, ließ die unterschiedlichen Standpunkte und die gravierenden sozialen Gegensätze bald wieder hervortreten. Der Burgfriede endete schließlich mit der gegen Ende des Jahres 1916 einsetzenden heftigen öffentlichen Diskussion über die Kriegsziele. Stellungskrieg und Materialschlachten Nach der Marneschlacht und dem gescheiterten Versuch der deutschen Truppen, in einem »Wettlauf zum Meer« mit dem Gegner die für den britischen Nachschub wichtigen Kanalhäfen einzunehmen (November 1914), standen sich die alliierten und deutschen Heere auf einer Frontlänge von rund 700 km von der belgischen Küste bis zur Schweizerischen Grenze gegenüber. Der Bewegungskrieg erstarrte zum Stellungskrieg. Ein Schützengrabensystem entstand mit Lauf- und Verbindungsgräben zu den rückwärtigen Stäben, zu Nachschub- und Versorgungsstellen und Feldlazaretten. Der Unterstand, mit Bohlen, Brettern und anderem Material notdürftig befestigte Erdlöcher, wurde der Aufenthalts- und Schutzraum der Frontsoldaten der vordersten Linien auf beiden Seiten. Niemand von ihnen ahnte in diesem ersten, noch relativ ruhigen Kriegswinter 1914/15, dass er dieses Schützengrabendasein, wenn er überlebte, mehr als drei Jahre, bis zum Frühjahr 1918, auszuhalten hatte. Aber es kam noch viel schlimmer. Mit einem massiven Einsatz von schweren und schwersten Artilleriewaffen, der sich von Schlacht zu Schlacht immer mehr steigerte, gigantische Ausmaße annahm, versuchten die Alliierten mehrfach im Jahre 1915, an einem begrenzten Frontabschnitt das deutsche Grabensystem niederzuwalzen und für den nachfolgenden Angriff ihrer Infanterieeinheiten sturmreif zu schießen, um einen Durchbruch zu erzwingen.
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Jeder Versuch misslang unter ungeheuren Blutopfern an Toten und Verwundeten, die für die Angreifer aber noch ungleich größer waren als für die Verteidiger. Im Frühjahr 1916 begann eine deutsche Großoffensive auf die französische Maasfestung Verdun, den herausragenden Eckpfeiler der französischen Frontlinie. Auch dieser Angriff scheiterte nach viermonatigem mörderischem Ringen wie die vornehmlich von Briten getragene gewaltige Schlacht an der Somme von Juli bis November 1916. Ergebnis dieser Materialschlachten war auf beiden Seiten die Erkenntnis, dass trotz des unvorstellbaren Einsatzes von Menschen und Waffen die Verteidigung nicht überwunden werden konnte, sofern diese in der Lage blieb, ihre eigenen Verluste relativ schnell und annähernd gleichwertig wieder zu ersetzen. Hier aber machten sich auf deutscher Seite bereits 1916 zunehmend die materielle Unterlegenheit bemerkbar und das Fehlen frischer und gut ausgebildeter Reserven. Den 1917 von den Alliierten fortgesetzten Versuchen, an irgendeinem Frontabschnitt einen entscheidenden Durchbruch zu erzwingen, jetzt auch mit der neuen Wunder- waffe der Tanks, begegnete die 3. Oberste Heeresleitung unter Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und Generalquartiermeister Erich Ludendorff mit einer elastischeren Kriegführung, bei der aus taktischen Gründen auch Gelände aufgegeben wurde, wenn dadurch in der Gesamtlinie der Front Vorteile erreicht werden konnten. So wurde auch der anfänglich durch die Tanks verursachte Schock von der Fronttruppe überwunden. Im Osten und Südosten durchbrachen dagegen immer wieder Offensiven der Mittelmächte den Stellungskrieg, ohne jedoch kriegsentschei- dende Siege erringen zu können. Erst im Frühjahr 1918, als im Osten mit dem jetzt revolutionären Russland der Friede von Brest-Litowsk geschlossen war, ging die deutsche Heeresleitung mit der Frühjahrsoffensive im Westen wieder zum Angriffskrieg über. Verdun Nachdem die Durchbruchsversuche der Alliierten in den Materialschlachten des Jahres 1915 am Widerstand der deutschen Fronttruppen gescheitert waren, setzte die deutsche Oberste Heeresleitung (OHL) am 21. Februar 1916 zum Großangriff auf die stark befestigte und durch Außenforts gesicherte französische Festung Verdun an. In einem monatelangen erbitterten Ringen wurde um jeden Meter Boden, um jede Anhöhe gekämpft, das Fort Douaumont wechselte mehrfach den Besitzer. Die Eroberung der Festung gelang nicht, auch der Plan der OHL, mit dem gewaltigen Einsatz von Menschen und Material die gegnerischen Kräfte im Sinne der Ermattungsstrategie »ausbluten« zu lassen, schlug fehl. - Nachdem im Juni 1916 wegen des britischen Großangriffs an der Somme starke deutsche Kräfte von der Verdunfront abgezogen werden mussten, gingen die geringen Geländegewinne und Fort Douaumont wieder verloren. Die deutschen Verluste betrugen 338 000, die französischen 364 000 Tote. Die Franzosen feierten die Schlacht um Verdun als Sieg und als Beweis ihrer Wider- standskraft. Für beide Völker steht der Name Verdun als Symbol für die Materialschlachten
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