Noch vor der Verabschiedung der Verfassung hatte sich die Nationalversammlung mit dem Friedensvertrag zu befassen. Am 7. Mai 1919 erhielt die vom (parteilosen) Außenminister Ulrich Graf Brockdorff-Rantzau geleitete deutsche Delegation den Entwurf, den die seit dem 18. Januar in Paris tagende Konferenz der Siegermächte - ohne Beteiligung der Besiegten - erarbeitet hatte. Er war letzt- lich das Werk der "Großen Drei": des US-Präsidenten Woodrow Wilson, des briti- schen Premierministers Lloyd George und des französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau. "In der Nacht vom 7. zum 8. Mai und wäh- rend des ganzen Tages stu- dierten wir die Bedingungen. Unsere vollkommene Nieder- geschlagenheit über die darin enthaltenen Zumutungen lässt sich überhaupt nicht schildern", heißt es in den Aufzeichnungen
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des Hamburger Bankiers Max Warburg, der der deutschen Delegation angehörte. Versailler Vertrag Die vorgesehenen Gebiets- verluste, Souveränitätsbe- schränkungen, Reparationen und vor allem die Zuweisung der Alleinschuld am Krieg lösten in ganz Deutschland, quer durch alle sozialen Schichten und politischen Lager, einen Entrüstungssturm aus. Ministerpräsident Scheidemann lehnte es am 12. Mai 1919 in der Nationalver- sammlung mit starken Worten ab, den Vertrag zu unterschrei- ben: "Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in solche Fesseln legte?" Die Regierung durfte innerhalb von 14 Tagen Stellung neh- men. Jedoch wiesen die Alliier- ten fast alle deutschen Wün- sche, Alternativ- oder Kompro- missvorschläge (bis auf eine Abstimmung in Oberschlesien über die nationale bzw. staat- liche Zugehörigkeit) ab. Am 16. Juni erhielt die deutsche Delegation in Paris den end- gültigen Vertragstext mit einer Annahmefrist von sieben Tagen. Daraufhin trat das Kabinett Scheidemann am 20. Juni zurück; die DDP schied vorläufig aus der Koalition aus (bis zum 3. Oktober 1919). Neuer Reichskanzler wurde
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Gustav Bauer (MSPD). Am 21. Juni 1919 wurden die Alliierten gleich doppelt pro- voziert: In der Bucht von Scapa Flow ließ Admiral Ludwig von Reuter eigenmächtig die deutsche Hochseeflotte ver- senken, damit sie den Sieger- mächten nicht in die Hände fiel; in Berlin verbrannten Offiziere die im Krieg 1870/71 erbeuteten Fahnen französischer Truppenteile. Danach waren weitere
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