ließe sich Großbritanniens Einfluss auf dem europäischen Festland zurückdrängen. Schließlich könnte es in dieser veränderten Kräftekonstellation doch noch mit London zu jener großen Aufteilung von Interessensphä- ren kommen, von der er immer geträumt hatte. Langfristig sah er einen Interessen- konflikt mit der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten sowie die Gefahr voraus, dass diese militärisch eingreifen würden. Diese Zeitspanne müsse militärisch genutzt werden, denn das Reich könne der Sowjetunion nur entgegentreten, „wenn wir im Westen frei sind“. Um eine bessere Ausgangslage zu schaffen, müssten Belgien und Holland in Besitz genommen und Frankreich durch einen Angriff militärisch ausgeschaltet werden. In der militärischen Führung, wo die Erinnerung an das Steckenbleiben und schließliche Scheitern der deutschen Offensive im Ersten Weltkrieg noch wach war, überwog äußerste Skepsis. Hitler hingegen gab sich sicher, dass die Schlacht gegen Frankreich diesmal unter günstigeren Umständen zu gewinnen sei. Darum vermochte ihn auch ein Vortrag des Oberbefehlshabers des Heeres Walther von Brauchitsch am 5. November nicht von seinen Angriffsplänen abzuhalten. Es waren allein die schlechten Wetterbedingungen, die mehrfach zur Verschiebung des Angriffs zwangen, bis dieser auf den 10. Mai 1940 festgelegt wurde. Krieg gegen Frankreich Hitler wollte sich die militärische Initiative nicht aus der Hand nehmen lassen und scheute darum auch nicht davor zurück, die Souverän- ität neutraler und nicht kriegführender Länder zu missachten. So befahl er den Überfall auf die beiden neutralen Länder Dänemark und Norwegen am 9. April 1940, nachdem ihn der Oberbefehlshaber der Marine Erich Raeder von der Gefahr überzeugt hatte, dass Norwegen in englische Hand fallen könne. Am 1. März 1940 hatte Hitler die Weisung „Weserübung“ erlassen, welche die Besetzung Dänemarks und Norwegens vorsah. Kurz darauf hatte er sich dafür entschieden, mit dieser Operation noch vor dem Westfeldzug zu beginnen. Mit dem handstreichartigen Überfall auf die nordischen Nachbarstaaten sollten der Zugang zu den schwedischen Erzlagern und eine günstige Operationsbasis gegen England gesichert werden. Noch während die deutschen Truppen in einer kombinierten Operation aller drei Wehrmachtsteile in Norwegen landeten, wobei die Marine erhebliche Verluste erlitt, begann am 10. Mai die Offensive im Westen. Dabei wurde die Souveränität der beiden neutralen Staaten Belgien und Niederlande ohne Rücksicht auf das Völkerrecht verletzt. Der rasche militärische Triumph ließ die anfänglichen Bedenken der Militärs, die auf die mangelnde rüstungstechnische und logistische Vorbereitung verwiesen, schwinden. Die mehrmalige Verschiebung des Angriffs hatte den Erfolg sogar noch begünstigt. Neben der verbesserten militärischen Ausstattung hatte der Angreifer seinen Operationsplan in der
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Zwischenzeit verändert. Der sogenannte Sichelschnittplan, der im Zusammenspiel zwischen Hitler, Generalleutnant Erich von Manstein und einer eher zögerlichen Heeres- führung Ende Februar 1940 verabredet worden war, schuf die entscheidende Voraussetzung für den raschen Erfolg. Der Plan sah den massierten Einsatz von Panzer- und motori- sierten Verbänden der Heeresgruppe A über die Ardennen vor, die bislang als ein natürliches Hindernis für den Einsatz solcher motorisierter Verbände gegolten hatten. Gleichzeitig sollte die Heeresgruppe B Belgien und die Niederlande besetzen, um damit die Nordseeküste zu erreichen und die Haupt- masse der gegnerischen Verbände zwischen den beiden Heeresgruppen zu zerreiben. Die Heeresgruppe C hatte lediglich den Auftrag, feindliche Kräfte an der Maginotlinie im Süden zu binden, ohne vorerst den Angriff auf dieses Herzstück der französischen Sicherheitspolitik vorzunehmen. Die militärische Stärke der Westmächte und der deutschen Wehrmacht war insgesamt als gleichwertig einzuschätzen, so dass neben der größeren Erfahrung vor allem der riskante und taktisch geschickte Angriffsplan den Ausschlag für den raschen Erfolg der Wehrmacht gab. In der ersten Phase vom 10. Mai bis zum Ende des Monats waren hauptsächlich das Ausnutzen der Überraschung des Gegners und das unerwartete Tempo des Vormarsches ausschlaggebend. In der zweiten Phase, beginnend am 5. Juni 1940, kam zu der gegnerischen Verwirrung durch den deutschen Operationsplan die innere Schwäche Frankreichs hinzu, das sich von den Folgen der Weltwirtschaftskrise noch nicht erholt hatte. Innenpolitisch war das Land zudem durch eine tiefe ideologische Polarisierung zwischen den Anhängern der sich antifaschistisch verstehen- den Linken und einer bürgerlich-nationalen Rechten geschwächt, die auf die Wucht der nationalsozialistischen Herausforderung mit Defätismus und Konzessionsbereitschaft reagierte. Französische Kapitulation Noch auswegloser wurde die Situation Frankreichs durch das Zerbrechen der britisch-französischen militärischen Kooperation. Die Briten versuchten, ihr Expeditionskorps (zusammen mit etwa 100000 französischen Soldaten, die in Dünkirchen ebenfalls eingekesselt waren) über den Kanal zu retten, was ihnen in einer improvisierten Aktion unter Zurücklassen der schweren Waffen und Dank des Anhaltens des deutschen Vormarsches auch gelang. Im französischen Kabinett, das nach Bordeaux geflüchtet war, begann darauf- hin eine Auseinandersetzung zwischen denen, die einen Waffenstillstand befürworteten - an ihrer Spitze die Generäle Philippe Pétain und Maxime Weygand - und jenen, die den Krieg gestützt auf den französischen Kolonialbesitz und auf ein Bündnis mit England weiterführen wollten.
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