1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
Mauerfall
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Erinnerungen
Nicht nur hierzulande, sondern in aller Welt zählt Willy Brandt noch heute zu den >großen Leitfiguren< (Richard von Weizsäcker). In seinen Memoiren zeichnet er seinen persönlichen und politischen Werdegang nach, in dessen Verlauf er zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler und durch den Spionagefall Guillaume zum Rücktritt gezwungen wurde. Ein Zeitzeugnis ersten Ranges, das die bewegte Geschichte des 20. Jahrhunderts widerspiegelt.

"Analytisch scharf in der Sache, glaubwürdig, sensibel und human - ein großer Beitrag zu den Zeitverhältnissen." (Die Zeit)

Autor: Willy Brandt
ISBN: 3-548-36497-7

Buchauszug
Große Worte, kleine Schritte

Im August 1961 wurde die Spaltung Berlins in Beton gegossen - gegen das Lebensgesetz einer über Generationen gewachsenen Stadt und, wie ich überzeugt war, gegen den Strom der Geschichte. 25 Jahre später erklärte Ronald Reagan in Washington, er hätte sie, wäre er zu jener Zeit Präsident gewesen, abreißen lassen. Als mich am 13. August 1986 ein amerikanischer Journalist in Berlin hiernach befragte, lehnte ich jeden Kommentar ab. Weshalb ich es nicht für angemessen hielt, mich aus diesem Anlaß in Berlin in eine Polemik mit einem Präsidenten der USA zu begeben? Ich hätte sonst fragen müssen, welche militärischen Maßnahmen er denn hätte ergreifen wollen. Einmarschieren? Mit welchem Ziel und um welchen Preis? Mit starken Worten war auch im nachhinein nichts zu gewinnen. Gewiß, Reagan hat Gorbatschow öffentlich aufgefordert, die Mauer verschwinden zu lassen. Aber in den Verhandlungen mit seinem russischen Partner hat er andere Schwerpunkte gesetzt und erst recht nicht die Teilung Deutschlands - 1945 in Jalta festgelegt - in Frage gestellt. Ich habe mich deswegen nicht mit ihm angelegt.
Berlin hatte bei Kriegsende einen Viermächtestatus erhalten und sollte durch eine gemeinsame Kommandantur der Siegermächte regiert werden. Aber die Rechte und Pflichten der Vier Mächte waren nicht sauber ausgehandelt worden — in einer Zeit, da man sich über die künftigen Rechte der Deutschen begreiflicherweise nicht viel Gedanken machte. Jeder Kommandant sollte, im Prinzip, über seinen Sektor verfügen können, wie er wollte oder wie ihn seine Regierung wollen ließ. Aus der gemeinsamen Kommandantur haben sich die Sowjets 1948 zurückgezogen und im gleichen Jahr die gewählten gesamtstädtischen Vertretungen - Stadtverordnetenversammlung und Magistrat - aus dem alten Rathaus im Ostsektor hinausjagen lassen; in ihrem Sektor bekamen die ihnen genehmen Leute das Sagen. Später ist der sogenannte Viermächtestatus - von dem schon 1948 kaum etwas übrig war - ins Feld geführt worden, um politisches Nichtstun zu bemänteln. In Bonn lagen Statuskult und Spaltungspflege besonders nahe beieinander.

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