berufliche Karriere sowie die nackte Angst vor Repressalien, Einschüchterungen und Verfolgung zusammen. Sie führten zu einer Abnahme der Mitglieder und oft auch zu einem Streit in der Parteiführung, was den National- sozialisten den tödlichen Schlag erleichterte. Allerdings darf man die kriminellen Energien der Nationalsozialisten bei der Einschüchterung und Verfolgung der politischen Gegner nicht unterschätzen. Sie waren bislang unbekannt und erreichten vor dem Hintergrund einer Verrohung der politischen Kultur und einer Bürgerkriegsmentalität eine neue Dimension. Durchdringung der gesamten Gesellschaft Nicht nur das Tempo und die verwirrende Doppelstrategie der Machteroberung und Gleichschaltung, sondern auch die Reichweite dieses Vorganges lähmten jede Gegenwehr. Die Gleichschaltungswelle reichte bis hinunter in die Gemeinden und ihr Vereinsleben. Überall in Rathäusern und Amtsstuben, in Hörsälen und Gerichtsverhandlungen, in Warenhäusern und Banken erschienen im Frühjahr 1933 SA-Leute; überall zwangen "Kommissare" mit fadenscheiniger Berechtigung, die Organisa- tionen und Institutionen sich von "Demokraten und Juden" personell zu "säubern" und sich Nationalsozialisten zu unterstellen. Das reichte bis hin zu Kleintierzüchtervereinen und der Deutschen Stenografenschaft, bis zu Jugend- verbänden und kulturellen Einrichtungen. Meist waren es Aktionen lokaler Aktivisten, die für sich selbst nun einen Platz an der "Futterkrip- pe" suchten. Ihr Aktivismus wurde von der Parteiführung hingenommen bzw. unterstützt, weil er einerseits in die Machteroberungs- und Einschüchterungsstrategie passte, andererseits Unterführern und Parteiaktivisten die Möglich- keit politischer Betätigung gab. Das Jahr 1933 bedeutete auch für alle Frauen eine einschnei- dende Zäsur, da sie von nun an systematisch aus der Berufs- und Arbeitswelt herausge- drängt und entsprechend dem Frauenbild der Nationalsozialisten auf eine Rolle als Hausfrau und Mutter festgelegt wurden. Bei den zahl- reichen unmittelbar nach der Machtergreifung erlassenen frauenpolitischen Gesetzen handel- te es sich keineswegs nur um wirtschafts- und familienpolitische Maßnahmen. Dies wird auch aus einem Brief der Berliner Schriftstellerin und Ministerialrätin Gertrud Bäumer deutlich, die 1933 ihrer Ämter enthoben wurde. Darin schreibt sie: "Dass sich die ganzen Entlassun- gen in unserer Reihe der höheren Beamtinnen gegen die Frauen als solche richten, ist mir gestern bei uns im Ministerium noch einmal bestätigt worden, Frick hat gegenüber den Ambitionen anderer Frauen mit schöner Offenheit gesagt: ,Was haben die Damen in den Ministerien verloren?' Dabei müssen sie zu meiner Genugtuung für meine Arbeit zwei Männer einberufen, einmal weil keiner alle die Gebiete beherrscht, und dann, weil sie auch keiner arbeitsmäßig bewältigt." Zur erfolgrei- chen Eroberung der Macht gehörte auch die Durchsetzung des Totalitätsanspruches bzw. der Anpassungsbereitschaft im kulturellen Bereich. Auch hier wirkte die Anziehungskraft des Nationalsozialismus, die sich weniger auf eine ideologisch-kulturelle Attraktivität als auf die Erwartung derer stützte, die zur Mitarbeit im neuen Staat bereit waren. Sie erwarteten, dass ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen auf Statusverbesserung oder auf die Erfüllung bestimmter, bislang nicht realisierter Vorstellungen durch den Nationalsozialismus erfüllt würden. Zusammen mit dem Druck von Parteiaktivisten führte diese Einstellung zu einer raschen Gleichschaltung der kulturellen Organisationen. Wie in der politischen Sphäre, so suchte auch im geistigen Bereich die bürgerliche, nationale Intelligenz die Nähe zur neuen Macht und tat alles zu deren pseudo- intellektuellen Überhöhung.
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Judenverfolgung Zu einem besonderen Schauplatz revolutio- närer Gewalt von unten und staatlicher Lenkung bzw. nachvollziehender Legitimation von oben wurde die Politik der Judenverfol- gung. Mit der schrittweisen Machteroberung kamen auch die ideologischen Affekte der nationalsozialistischen Bewegung voll zum Durchbruch. Sie wurden zu Begründung und Lenkung der Straf- und Unterwerfungsaktionen eingesetzt. Schon Ende Februar 1933 war es zu ersten antisemitischen Ausschreitungen von SA-Trupps gekommen, die sich seitdem ständig gesteigert hatten. Jüdische Geschäfte wurden geplündert, ihre Inhaber gequält, verschleppt und nicht selten zu Tode geprügelt. Bald richtete sich der Terror auch gegen jüdische Angehörige freier Berufe, Anwälte und Ärzte. Die heftigen Reaktionen, die solche Nachrich- ten auch im Ausland fanden, steigerten noch die Verfolgungswut und animierten Goebbels zu einer Geiselaktion. Mit einem Boykott jüdischer Geschäfte sollten "sich die ausländi- schen Juden eines Besseren besinnen, wenn es ihren Rassegenossen in Deutschland an den Kragen geht". Nach diesem propagandistischen Anstoß bildete sich ein "Zentralkomitee zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykott- hetze" unter Leitung des fanatischen Antisemiten und fränkischen Gauleiters Julius Streicher. Überall im Reich standen am Sonnabend, dem 1. April, SA-Posten vor jüdischen Geschäften und forderten die Kunden drohend auf, die Geschäftsräume nicht zu betreten. Hitler rechtfertigte im Kabinett in bewusster Umkehrung des Tatbestandes das Vorgehen der SA als "Abwehraktion" und unterstrich, "dass diese Abwehr habe organisiert werden müssen, weil sonst die Abwehr aus dem Volk heraus von selbst gekommen wäre und leicht unerwünschte Formen angenommen hätte". Gleichwohl hatte die Aktion auch im Inland nicht die gewünschte Wirkung. Selbst nationalsozialistischen Zeitungen war zu entnehmen, dass die Bevölkerung meist nur reserviert oder bloß neugierig reagiert hätte. Der Boykott wurde darum nicht weitergeführt. Für ihr weiteres Vorgehen nutzten die Nationalsozialisten die Möglichkeiten, die ihnen das am 23. März verabschiedete "Ermächtigungsgesetz" bot. Auf der Basis des "Gesetzes zur Wiederher- stellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April wurden danach sowohl die politischen und antisemitischen "Säuberungen" des öffentlichen Dienstes in Reich, Ländern und Gemeinden durchgeführt als auch zum Teil nachträglich legalisiert.
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