1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
Widerstand
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Harald Poelchau - Ein Leben im Widerstand
Im Jahr 1933 übernahm ein junger Theologe das Amt des Gefängnispfarrers in der Berliner Haftanstalt Tegel: HARALD POELCHAU. Er ahnte nicht, dass er in den folgenden zwölf Jahren dem mörderischen Charakter des Nationalsozialismus so hautnah begegnen sollte. Mehr als eintausend zum Tode verurteilte Häftlinge hat er auf ihren Gang zum Henker vorbereitet, einige hundert bis zur Richtstätte begleitet. Doch blieb es nicht bei seelischem Beistand. Unter dem Schutz, den er als Geistlicher genoss, hat Poelchau im Widerstand fast täglich sein Leben riskiert und in Berlin ein Netzwerk aufgebaut, das politisch und rassisch Verfolgten Unterschlupf bot und vielen das Leben rettete. Mit Mitgliedern der Roten Kapelle hielt er engen Kontakt; er selbst gehörte dem Kreisauer Kreis an und war mit Peter Yorck von Wartenburg, Helmuth James von Moltke und Dietrich Bonhoeffer befreundet.

Zum ersten Mal wird jetzt die bewegende Lebensgeschichte Poelchaus in einer Biographie dargestellt. "Harald Poelchau ist eine der faszinierendsten Gestalten des deutschen Widerstands gegen Hitler" (Peter Schneider). Gewiss war er eine der tapfersten, der menschlichsten und bescheidensten.

Autor: Klaus Harpprecht
ISBN: 3-498-02969-X

Buchauszug
Karin Friedrich schrieb von Harald Poelchau, er sei «der ungewöhnlichste Mensch», den sie in der Nazizeit kennen gelernt habe. «Ein Mann, der half, Juden und politisch Verfolgte am Leben zu erhalten. Einer, der unter größter eigener Gefahr Kontakte zwischen Verurteilten und ihren Angehörigen aufrechterhielt, der Menschen, die kurz vor der Hinrichtung standen, Zuversicht auf eine höhere Gerechtigkeit gab. Einer, der ausstrahlte, was ihn selbst durchhalten ließ: den Glauben an das Gute im Menschen.» Konrad Latte - der übrigens stets ein Parteiabzeichen am Revers trug — war bei einer Polizeirazzia in die Fänge der Gestapo geraten. Seine Lage wurde durch die Leichtfertigkeit des jungen Wolfgang Harich, dessen Mutter Konrad für einige Wochen bei sich aufgenommen hatte, noch schwieriger, als sie es ohnehin war. Auch Lattes Vater geriet in die Falle. Die Mutter Margarete stellte sich freiwillig. Einige Wochen später wurden die Eltern aus dem Sammelgefängnis an der Großen Hamburger Straße nach Osten deportiert, vermutlich nach Auschwitz. Konrad hielt man, gegen seinen Wunsch, zurück: er wollte das Schicksal des Vaters und der Mutter teilen, aber man bedeutete ihm, dass er als Zeuge in dem Prozess gegen Wolfgang Harich gebraucht werde. Dieser begabte junge Mensch, später einer der Chefideologen der DDR (bis er bei Ulbricht in Ungnade fiel), war von seiner Truppe in Potsdam desertiert und hatte einen Koffer bei Konrad untergestellt: hernach faselte er in seinem «Versuch einer Autobiographie» unter dem seltsamen Titel «Ahnenpass» daher, Latte, «damals Deckname Bauer», sei seiner Mutter «von der kommunistisch geführten Widerstandsgruppe ERNST ( gleich Thälmann) ins Zehlendorfer Haus gebracht» worden. Die kommunistischen Genossen im Untergrund hätten Konrad schließlich seine Tätigkeit «als freiberuflicher Organist» untersagt, weil sie es für gefährlich hielten, dass er immer noch seine Breslauer Personalpapiere benutzte (was schierer Unsinn war). Mit einem Ausweis, den ihm die Gruppe verschafft habe, sei er aus Berlin davon gereist, um sich — wie von der Gruppe befohlen — in die Schweiz einzuschleusen. Der Versuch sei misslungen. - Was diese Flunkereien sollten, blieb Harichs Geheimnis. Vielleicht hoffte er, sein beschädigtes Ansehen bei der Partei durch eine ausgeschmückte Widerstandslegende aufzupolieren.
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