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Die Ausbürgerung - Anfang vom Ende der DDR
Autor: Wolf Biermann und andere Autoren ISBN: 3898340449
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Buchauszug
Köln 1976 und Leipzig 1989Das habe sogar ich bemerkt: Zwei meiner Konzerte waren mehr als nur Konzerte. Und deshalb muß ich bei dem einen immer zugleich das andere mitdenken. Beim ersten, am 13. November 1976, spürte wohl jeder, Freund wie Feind in Ost und West, daß etwas Unerhörtes mit uns allen passiert. Aber wie komisch: Keiner wußte so recht warum und was. Vielleicht war die Genehmigung zu dieser Konzerttournee mitten in den Frösten des Kalten Krieges ein Signal. Sollte etwa ein Prager Frühling in Ostberlin kommen? Nur drei hoffnungstrunkene Tage danach, am 16. November, ernüchterte uns alle die Nachricht von der Ausbürgerung. Diese sogenannte »Maßnahme von Partei und Regierung« wurde offiziell damit begründet, daß der DDR-Staatsbürger Biermann die Deutsche Demokratische Republik verleumdet und verraten haben sollte. Ich werde später darstellen, daß meine Ausbürgerung lange vorher beschlossene Sache war. Ich hätte in Köln auch den ganzen Abend brav »Hänschen klein ging allein ...« singen können, die Fürsten der DDR hätten mich trotzdem nicht wieder reingelassen. Aber so was weiß man halt heute. Das zweite Konzert dieser Art erlebte ich dreizehn Jahre später, da hatten nämlich DDR-Bürgerrechtler mit einem kecken Coup im einsetzenden Macht- und Kompetenzkuddelmuddel meinen ersten Auftritt in Leipzig durchgesetzt. Die Montagsdemonstrationen reizten und lähmten in einem den Machtapparat. Die jungen Dissidenten mieteten einfach privat! - als sei dies das Hinterzimmer in einer Dorfkneipe - die größte Messehalle der Messestadt. Tja und da wußten am 1. Dezember 1989 die achttausend Menschen in der riesigen Betonkiste und zugleich die Millionen an den Fernsehern in Ost und West sehr wohl, was die Stunde geschlagen hatte: Der totalitäre DDR-Drache zuckte und schlug noch resigniert um sich im Todeskampf, und sein heimgekehrtes Drachentöterlein Biermann sang ihm das Sterbelied.
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