1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
Nürnberger Prozesse
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Alltag unterm Hakenkreuz
Alltag unterm Hakenkreuz:
Wie lebten die "Durchschnittsbürger" unter den Nazis?
Dieses Buch gibt Auskunft über:
Jugend, Schule, Familie, Arbeit, Versorgung
Autor: Harald Focke/Uwe Reimer
ISBN: 3-499-14431-X

Buchauszug
Im Sog des Regimes


Welche Auswirkungen hatte die Machtübernahme durch die Nazis auf die deutschen Schulen? Hans Günther Zmarzlik erinnert sich an seine Pennälerzeit:
«Ich hatte einen jüdischen Mitschüler. Sein Vater war dekorierter Frontoffizier des Ersten Weltkrieges. Er selbst, obwohl wegen Unsportlichkeit nur mäßig geschätzt, gehörte noch dazu. 1938 erschien er eines .Tages nicht mehr, dafür der Direktor, um mitzuteilen, daß jener nun eine jüdische Schule in Berlin besuchen werde. Wir wußten, daß er nicht freiwillig gegangen war, und waren verstört. Aber nur einen Moment lang.
Unser Direktor war Nationalsozialist. Ein , war borniert, aber wohlmeinend. So waren viele, die damals kleine Karriere machten.
Einmal stellte er mich, Obertertianer, und sagte: Ich ging nicht gern zum katholischen Religionsunterricht. Der war langweilig. Aber mich ärgerte die Anzapfung, und ich antwortete: Da sagte er: Das war typisch für die Mentalität bürgerlich geprägter Nationalsozialisten, die über jeden Opportunismusverdacht erhaben sein wollten und in der Fortexistenz der Kirchen im Grunde ein moralisches Alibi fanden.
Und wo standen die Lehrer? Nur wenige waren überzeugte Nationalsozialisten, die meisten mehr oder weniger deutschnational gesinnt oder auch jugendbewegt. Die äußerste Linke im Kollegium reichte nicht weiter als bis zu einem ehemaligen Angehörigen der Deutschen Volkspartei. Er gab sich kulturell emanzipiert, wußte aber Politik von Humanität behaglich zu trennen.
Er hat zum Beispiel noch 1936 im Unterricht gesagt: , das ist ein so gutes Gedicht, das lernen wir jetzt.> Doch derselbe Lehrer hat auch mit genüßlicher Freude von den Praktiken der Faschisten in Italien erzählt, politische Gegner nachts aus den Betten zu holen, ihnen die Hosen zuzubinden, Rizinus einzuflößen und sie dann stundenlang herumzujagen. Ich fand das niederträchtig, sagte es auch. Er nannte es Gefühlsduselei, die von der harten Wirklichkeit der Politik nichts wisse.
Anfang 1939 wurde zur Jahresarbeit vor dem Abitur das Thema gestellt: Der Soldat - das deutsche Mannesideal! Ich erklärte dem Deutschlehrer, der Soldat sei mein Mannesideal nicht, ich könne also nicht darüber schreiben. Er grübelte etwas und gab mir das Thema: Nationalsozialismus und Gewerkschaften.

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