Russischer Winter
Am Tag konnte seine Einheit das Gelände der Russen gut einsehen. Das wurde auch genutzt, um diesen Bereich mit Sperrfeuer zu belegen. Sinn und Zweck war es, dem Gegner die Basis für die nächtlichen Feuerüberfälle zu entziehen. Aber das ganze schien wie ein Rätsel. Man sah am Tag niemanden und konnte sich nicht erklären, wo die Russen nachts herkamen. Auch als die Deutschen in einer Nacht nach dem Störfeuer in dieses Gelände eindrangen, konnten sie die Russen nicht finden. Hatten sie sich so gut getarnt oder auf unbekannten Wegen die Schlucht verlassen? Für Kappelmann und seine Kameraden blieb das ein Rätsel. Das Schlimmste aber war und blieb die Kälte. Den Russen schien sie nichts auszumachen. Wenn die Deutschen draußen an einer Flasche tranken, blieb sie nach kurzer Zeit an den Lippen kleben. Es machte ihnen zu schaffen, dass sie keine geeignete Winterkleidung hatten.
| | | Deutsche Soldaten unterwegs bei Gschatsk.
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| | | Bei Mossaisk (Nähe Moskau).
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Wenigstens kam man mit der russischen Zivilbevölkerung sehr gut aus. Bei manchen hatte Heinrich Kappelmann das Gefühl, dass sie mehr Angst vor den eigenen Leuten hatten, als vor den Deutschen. Die Bereitschaft, ihr Weniges mit den Deutschen zu teilen, beeindruckte ihn sehr. Wenn er dann mit ansah, wie die russischen Mütter ihre Kinder draußen in einem zwar geschützt gelegenen aber nicht zugefrorenen Bach im Freien wuschen, konnte er sich schon eher ihre abgehärtete Natur erklären. Jedes Mal schauderte es ihn vor Kälte, wenn er das sah. Kappelmann verbrachte mehrere Wochen dort, bevor er weiterging. Erst als die Schneeschmelze kam und die Temperaturen stiegen, lief es auch bei den Kämpfen wieder besser. Doch nach dem Weggang des Schnees schien dort eine völlig andere Gegend entstanden zu sein. Die Schneemassen und der Frost hatten die ursprüngliche Landschaft so verändert, dass man sich woanders wähnte. Die Zeit blieb nicht stehen, und Heinrich Kappelmann zog mit seiner Einheit 1942 in den Kaukasus. | | | Heinrich Kappelmann 1943 im Kaukasus bei einer Ausbildung an einem 8-mm-Granatwerfer.
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Als "Belohnung" für seinen Einsatz im Winter 1941/1942 erhielt er die Ostmedaille, im Soldatenmund "Gefrierfleischorden" genannt. Die Freude darüber hielt sich in Grenzen, und sein sehnlichster Wunsch war, diese Tortur nicht noch einmal zu erleben.
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