1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
Nürnberger Prozesse
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Buchauszug
Zum einen ließ sich nicht immer verbergen, daß etwas geschah. So mußte die nichtjüdische Bevölkerung nicht erst solche Maßnahmen sehen, um zu erkennen, daß immer mehr Juden verschwanden. An der kleinen Bahnstation Sobibor begriff ein polnischer Weichensteller außerhalb des Lagers, als er »eine wirklich absolute Stille [wahrnahm]. Vierzig Waggons waren angekommen, und dann nichts mehr.« Neben solchen Schlußfolgerungen gab es auch direkte Eindrücke von den Aktionen selbst. Entdeckungen machten zum Beispiel Menschen, die zufällig in ein Ereignis hineingerieten. So beklagte ein deutscher Heeresinspekteur im besetzten Polen, Soldaten hätten unfreiwillig mitansehen müssen, wie hochschwangeren jüdischen Frauen Gewehrkolben in die Leiber gestoßen wurden. Oft genug ließen sich Gaffer nicht aussperren. 1943 versammelten sie sich auf der Insel Korfu an Straßenrändern und auf Baikonen, um zuzusehen. Im ungarischen Szeged, wo Juden 1944 eines Morgens, flankiert von einheimischen Gendarmen, im Marschschritt zum Zug geführt wurden, standen die Menschen an den Straßen und lachten. 1941 schaute in Shitomir eine Gruppe von Soldaten auf Hausdächern zu, wie zwei Juden erhängt wurden.
In München stand ein SS-Leutnant vor dem Obersten SS- und Polizei-Gericht, weil er von ihm angeordnete Erschießungen photographiert hatte. Die Aufnahmen ließ er in zwei süddeutschen Labors entwickeln, um sie seiner Frau und mehreren Bekannten zu zeigen, womit er riskierte, daß Berichte über das Gesehene in die neutrale Schweiz gelangten und »der Propaganda dienten«. Dieses Verhalten konnte das SS-Gericht nicht billigen.
Die Zuschauer hatten ein Geheimnis aufgespürt. Einige deuteten den Opfern an, daß sie etwas wußten, sagten aber nicht klar, worum es ging. Einmal hörten ahnungslose jüdische Deportierte auf dem Weg nach Sobibor die ihnen unbegreiflichen Worte: »Juden, ihr werdet brennen.«
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