Europa wird größer - die Osterweiterung der EU
Der Zerfall der Sowjetunion, die Auflösung des Ostblocks und das Verschwinden des Eisernen Vorhangs sowie die Wiedervereinigung der Deutschen im europäischen Konsens boten die realistische Möglichkeit, die politische und wirtschaftliche Teilung des Kontinents auf Dauer zu überwinden. So nahm die Europäische Union (EU) mit zwölf beitrittswilligen Ländern Verhandlungen auf: Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Estland, Slowenien, Zypern, Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Lettland, Litauen und Malta. Die Türkei hat als 13. Land 1999 den Kandidatenstatus erhalten. Es ist das politische Ziel der bisherigen EU-Mitgliedstaaten, ihre Zone der politischen Stabilität, der Demokratie und Marktwirtschaft, der Beachtung der Menschenrechte und des Minderheitenschutzes nach Osten und Südosten auszudehnen. Die Erweiterung der EU um 100 Millionen Menschen schafft einen Wirtschaftsraum von 500 Millionen Einwohnern, der im globalen Wettbewerb einen gewichtigen Faktor darstellen wird. Die EU formulierte 1993 in Kopenhagen die Bedingungen (»Kopenhagener Kriterien«), die jedes beitrittswillige Land zum Zeitpunkt seiner Aufnahme erfüllen muss: 1. institutionelle Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte, Achtung und Schutz der Minderheiten; 2. funktionsfähige Marktwirtschaft; 3. die Fähigkeit, sich die aus einer EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen und Ziele zu Eigen zu machen (Übernahme des gemeinschaftlichen Regelwerks). Die Beitrittsländer müssen grundsätzlich den Rechtsbestand der EU komplett übernehmen. Deswegen kann zuvor nur über Ausnahmen und Übergangsregeln verhandelt werden. Aber auch die Organisation der EU selbst muss den neuen Bedingungen angepasst werden. Die Beschlüsse des Europäischen Rates in Nizza haben im Dezember 2000 die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die EU auch nach ihrer bevorstehenden Erweiterung handlungsfähig bleibt: Ausweitung des Mehrheitsprinzips bei Ratsentscheidungen, Neuregelung der Stimmengewichtung im Rat, Anzahl der Parlamentssitze sowie die Zusammensetzung der Europäischen Kommission. Ein großes Problem stellt die geringere Wirtschaftskraft der meisten Beitrittsländer dar. Notwendig werdende Strukturhilfen sehen einige der bisherigen EU-Mitglieder als Bedrohung für die ihnen gewährte EU-Unterstützung. Die Beibehaltung der bisherigen Agrarpolitik der EU erscheint in einer erweiterten Union als nicht finanzierbar. Bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU strebt Deutschland angesichts der Lage auf seinem Arbeitsmarkt ein verzögertes In-Kraft-Treten nach dem Beitritt der neuen Mitglieder an. Nach dem gegenwärtigen Stand des Beitrittsprozesses wird mit der Aufnahme der ersten Anwärter im Jahre 2004 gerechnet. Quelle: "Schlaglichter der deutschen Geschichte" Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung. Copyright F. A. Brockhaus GmbH, Leipzig - Mannheim, Dudenstraße 6, 68167 Mannheim
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