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40. Jahrestag der DDR - Gewaltsamer Einsatz von Sicherheitskräften
Bilder von der Massenflucht der DDR-Bevölkerung waren von vielen Fernsehstationen in alle Welt gesendet worden und hatten die Krise der DDR, die sich anschickte, den 40. Jahrestag ihres Bestehens zu begehen, weltweit offenkundig gemacht. Dessen ungeachtet feierte der 77-jährige Erich Honecker im Palast der Republik am 6. Oktober 1989 in seiner Festansprache die DDR, ohne ein Wort über die Flüchtlinge oder die internen Probleme zu verlieren. Erst am folgenden Tag im Schloss Niederschönhausen kamen die innenpolitischen Probleme der DDR zur Sprache. Dort fand der Generalsekretär der KPdSU, Gorbatschow, gegenüber Honecker und dem SED-Politbüro deutliche Worte: »Kühne Entscheidungen« seien notwendig, jede Verzögerung werde zur Niederlage führen. Wörtlich sagte er: »Ich halte es für sehr wichtig, den Zeitpunkt nicht zu verpassen und keine Chance zu vertun ... Wenn wir zurückbleiben, bestraft uns das Leben sofort... Wir sind in einer Etappe sehr wichtiger Beschlüsse. Es müssen weit reichende Beschlüsse sein, sie müssen gut durchdacht sein, damit sie reiche Früchte tragen. Unsere Erfahrungen und die Erfahrungen von Polen und Ungarn haben uns überzeugt: Wenn die Partei nicht auf das Leben reagiert, ist sie verurteilt... Wir haben nur eine Wahl: entschieden voranzugehen.« Honecker ging mit keinem Satz auf die Äußerungen Gorbatschows ein, was diesen veranlasste, noch deutlicher zu werden und das Gespräch schließlich abrupt zu beenden. Am Spätnachmittag desselben Tages finden sich auf dem Alexanderplatz einige Hundert Jugendliche ein, die ihren Protest gegen die Wahlfälschung bei den Kommunalwahlen vom Mai 1989 wie an jedem 7. der letzten Monate durch Pfeifen demonstrieren. Sie ziehen von dort aus zum Palast der Republik, wo sich Honecker und seine Staatsgäste befinden. Die inzwischen auf mehrere Tausend Personen angewachsene Menge skandiert »Gorbi, Gorbi« und zieht in Richtung Gethsemanekirche, wo seit einer Woche eine Mahnwache für politische Gefangene gehalten wird. Auf der Höhe der Nachrichtenagentur ADN rufen die Demonstranten »Lügner, Lügner« und »Pressefreiheit«. Es fahren die ersten Mannschaftswagen der Polizei an. Es kommt zu Handgreiflichkeiten und Verhaftungen. Schließlich wird die Gegend um den Bahnhof Schönhauser Allee von Polizei und Staatssicherheit (»Stasi«) hermetisch abgeriegelt. Gegen Mitternacht wird losgeschlagen und die Demonstration gewaltsam aufgelöst. Das Gleiche passiert in Potsdam, Leipzig, Dresden, Plauen, Jena, Magdeburg, Arnstadt, Ilmenau und Karl-Marx-Stadt.Quelle: "Schlaglichter der deutschen Geschichte" Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung. Copyright F. A. Brockhaus GmbH, Leipzig - Mannheim, Dudenstraße 6, 68167 Mannheim
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