Das »Neue Ökonomische System« der DDR
In der DDR hatte sich nach dem Mauerbau in Berlin vom 13.August 1961 eine Wandlung vollzogen. Der ständige, die wirtschaftliche Entwicklung lähmende und sich allmählich zur wirtschaftlichen Katastrophe ausweitende Aderlass durch die Massenflucht der Bevölkerung war gestoppt worden. Die Menschen, denen nun die Möglichkeit der Flucht über die Sektorengrenzen nach West-Berlin genommen war, begannen zwangsläufig, sich mit dem Regime zu arrangieren. Andererseits warb die Parteiführung verstärkt um die Mitarbeit der Bevölkerung, indem sie eine bessere Befriedigung ihrer Wohlstandserwartungen in Aussicht stellte. Zur Reformierung des Wirtschaftssystems verordneten das Zentralkomitee der SED und der Ministerrat der DDR im Juni 1963 die Einführung des »Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft«. Danach sollte die Staatliche Plankommission jeweils für fünf bis sieben Jahre einen Perspektivplan aufstellen und mit den unteren Organen entsprechende Jahrespläne ausarbeiten. Eine besondere Rolle übernahmen in diesem Planungssystem die Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB), denen eine größere Handlungs- und Verantwortungsfreiheit zugebilligt wurde. Durch ein Prämiensystem wurden die Betriebe angeregt, Gewinne zu erwirtschaften, mit denen sie selbstständig Investitionsentscheidungen treffen konnten; Arbeitnehmer sollten durch leistungsabhängige Löhne und Prämien motiviert werden; die Industriepreise wurden reformiert. Damit wurde der Versuch unternommen, die Schwierigkeiten der zentralen Planwirtschaft durch Elemente des wirtschaftlichen Wettbewerbs zu überwinden. Mit der Einführung des Neuen Ökonomischen Systems wurde die DDR ein Vorreiter für die kommunistischen Nachbarländer auf dem Felde wirtschaftlicher Reformversuche. Das Neue Ökonomische System führte in der DDR zu einer wirtschaftlichen Stabilisierung und bildete die Ausgangsbasis für den Aufstieg der DDR zur zweitstärksten Industriemacht im Bereich des »Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe« (RGW). Aufgrund einer einseitigen Investitionspolitik, die sich auf "strukturbestimmende« Wirtschaftszweige konzentrierte, entstanden allerdings Disproportionen und zahlreiche Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung, die 1970 zu einem Abbruch der Wirtschaftsreformen führten. Quelle: "Schlaglichter der deutschen Geschichte" Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung. Copyright F. A. Brockhaus GmbH, Leipzig - Mannheim, Dudenstraße 6, 68167 Mannheim
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