|
Die Zerschlagung der Arbeiterparteien
Die Schläge gegen die politische Linke kamen besonders schnell und mit der Wucht des nationalsozialistischen Machtwillens. Der Vernichtungsfeldzug gegen die Kommunisten war von Anfang an Bestandteil und Rechtfertigung der Machtergreifungspolitik. Die endgültige Ausschaltung der Sozialdemokratie, die seit Februar schon keine geordnete Parteiarbeit mehr durchführen konnte, begann nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes. Wesentlich moderater verfuhren die Nationalsozialisten mit den bürgerlichen Parteien und ihren Anhängern. Drohungen und meist kurze Verhaftungen wurden als Druckmittel eingesetzt, um den Prozeß der Selbstauflösung zu beschleunigen. Zuerst gingen die Nationalsozialisten gegen die kommunistische Partei und ihre Nebenorganisationen von der "Revolutionären Gewerkschaftsopposition" (RGO) bis zum "Kommunistischen Jugendverband" (KJVD) vor. Sie waren schon seit dem Reichstagsbrand zerschlagen, ihre Funktionäre verhaftet oder verfolgt. Die Partei war aus taktischen Überlegungen zunächst noch nicht verboten. Als im Zuge des ersten Gleichschaltungsgesetzes der Länder vom 31. März alle kommunistischen Mandate in Ländern und Kommunen gestrichen wurden, bedeutete das zugleich, daß die KPD als politische Partei nicht mehr zugelassen war. Verheerend für die Situation vieler KPD-Mitglieder wirkte sich aus, daß sie infolge des radikalisierten Antikommunismus und einer großen Denunziationsbereitschaft kaum mit Unterstützung und Schutz in der Bevölkerung rechnen konnten. Genausowenig kam Hilfe von außen, denn die Moskauer Zentrale nahm die Kommunistenverfolgung in Deutschland als innere Angelegenheit bemerkenswert unbeteiligt hin. Kaum weniger verhaßt war den Nationalsozialisten das "Reichsbanner", Gegner vieler Straßenkämpfe in der Spätphase der Weimarer Republik. Büros und einzelne Ortsgruppen dieser sozialdemokratischen Kampforganisation waren schon im März durch polizeiliche Zwangsmaßnahmen lahmgelegt worden. Die Mitglieder waren durch den Terror der SA entnervt. Nach der Märzwahl kam es in vielen Ländern zu förmlichen Verboten. Am 2. Mai ging der Vorsitzende Karl Höltermann in die Emigration, um der drohenden Verhaftung zu entgehen. Mit der Zerschlagung ihrer Kampforganisation und auch der Gewerkschaften waren der SPD ihre wichtigsten gesellschaftlichen Stützen genommen. Mitglieder und Parteiführer waren durch permanente Drangsalierungen, Zeitungsverbote und der Besetzung von Parteihäusern seit Februar demoralisiert und befanden sich in einem Zustand der Resignation. Es häuften sich die Austritte von Beamten und Angestellten, die um ihre Stellung fürchteten. Ein Schulrat begründet seinen Austritt mit seinen angeblichen Loyalitätspflichten: "Da ich stets die Auffassung vertreten habe, daß es für keine Behörde und Regierung auf die Dauer tragbar ist, ihre Beamten parteipolitisch in Opposition zu wissen, erkläre ich hiermit meinen Austritt aus der Partei." Zur Auflösung und wachsenden Repression kam die innere Schwächung durch Auseinandersetzungen über den richtigen Kurs und durch die Spaltung der Parteiführung in Emigranten und Daheimgebliebene. Der vormalige Reichstagspräsident, Paul Löbe, blieb in Berlin, um "Schlimmeres zu verhüten", während der Chefredakteur der am 28. Februar verbotenen Parteizeitung "Vorwärts", Friedrich Stampfer, Anfang Mai nach Prag ging, um die Emigration der Parteiführung vorzubereiten. Im Kern ging es bei dem innerparteilichen Konflikt um die Einschätzung des Nationalsozialismus und das angemessene Verhalten gegenüber der nationalsozialistischen Bedrohung. Sollte man sich an einen strikten Kurs der Legalität halten, um den Kern der eigenen Organisation zu retten und der NS-Regierung keinen Vorwand für ein Verbot zu liefern, oder sollte man sich zu einem entschiedenen Widerstand bekennen und dafür auch Verbot und Emigration, im schlimmsten Falle auch Verhaftung und Verfolgung hinnehmen. Zum offenen Konflikt kam es, als Hitler nach sner propagandistisch geschickten Friedensrede an das Ausland am 17. Mai 1933 dem Reichstag eine Friedensresolution vorlegte, die die SPD vor die Alternative der Zustimmung oder der prinzipiellen Ablehnung stellte. Die Zustimmung der Reichstagsfraktion um Paul Löbe erfolgte auch aus dem Dilemma heraus, daß Innenminister Frick gedroht hatte, im Ablehnungsfalle wären Leib und Leben der bereits verhafteten Sozialdemokraten gefährdet. Löbes Entscheidung zur Zustimmung resultierte auch aus dem traditionellen Selbstverständnis der SPD, die sich in ihrer Geschichte immer für Friedensappelle und die Forderung nach nationaler Gleichberechtigung eingesetzt hatte, und nun auch meinte, sich einem solchen Aufruf nicht entziehen zu können, um nicht wieder wie im Kaiserreich als "Reichsfeinde" und "vaterlandslose Gesellen" verleumdet zu werden. Doch weder der Rückgriff auf historische Ähnlichkeiten noch Stillhalten und das Ertragen der damit verbundenen Demütigungen halfen gegen den Vernichtungswillen der Nationalsozialisten. Nun diente die Tätigkeit der Exil-SPD, die am 18. Juni in Prag zum Sturz des Hitler-Regimes aufgerufen hatte, als Vorwand, um am 22. Juni jede politische Tätigkeit der SPD zu untersagen, die Parlamentsmandate zu kassieren und die noch greifbaren Parteiführer zu verhaften. Mit der Vernichtung der größten Oppositionspartei war auch das Schicksal der kleinen bürgerlichen Parteien besiegelt. Fast unbemerkt vollzog sich ihre Selbstauflösung, der allerdings im Falle der Staatspartei (vor 1930: DDP) die üblichen Drohungen der Nazis vorangegangen waren. Keiner Gewaltandrohung bedurfte es bei der Deutschen Volkspartei (DVP), die einen Tag später am 28. Juni die von der Mehrheit der Mitglieder geforderte Auflösung vollzog, in dem Bewußtsein, daß ihr Ziel eines "nationalen Einheitsstaates" und der Aufhebung des "Konfessionalismus" von Hitler in "monumentaler Form" verwirklicht worden sei. Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de
|
|