|
Das Ende von Zentrum und DNVP
Der Untergang des katholischen Zentrums und der bayerischen Schwesterpartei BVP vollzog sich nach demselben Mechanismus von Anpassung und Resignation, von organisatorischen Selbstbehauptungsversuchen und Auflösungstendenzen, von staatlichem Zwang und politischen Verlockungen. Nach dem Verlust der parlamentarischen Schlüsselposition und nach der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz ging es auch für den politischen Katholizismus um die Existenzberechtigung. Zu dem wachsenden politischen Druck und den deutlichen Abwanderungsbewegungen der Anhängerschaft kam die Entscheidung der Oberhirten der katholischen Kirche in Deutschland, die der Behauptung der kulturpolitischen und seelsorgerischen Stellung der Kirche in Deutschland absoluten Vorrang vor der politischen Parteiorganisation gaben. Das war der Sinn der Erklärung der Fuldaer Bischofskonferenz vom 28. März, die zur loyalen Unterstützung des neuen Staates aufgerufen hatte. Auf dieser Linie bewegten sich die Verhandlungen über ein Reichskonkordat, die Prälat Kaaseit April zusammen mit von Papen im Auftrag der Reichsregierung in Rom führte und dafür auch die eigene Partei führungslos zurückließ. Auch Heinrich Brüning, der mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet, am 6. Mai den Parteivorsitz übernahm, konnte der Partei den Überlebenswillen nicht wiedergeben. Dazu war der Auflösungsprozeß in der Partei und den Christlichen Gewerkschaften schon zu weit vorangeschritten, hatten die Verhaftung und Behinderungen von Parteiangehörigen den Lebensnerv schon zu sehr getroffen. Völlig aussichtslos erschien die Situation der Partei schließlich durch das Reichskonkordat und die darin vom Vatikan gegebene Zustimmung zu einem Verbot der parteipolitischen Betätigung der katholischen Geistlichen. Für Brüning gab es keinen Zweifel mehr, daß der Vatikan die Existenz des Zentrums zu opfern bereit war. Es blieben Resignation und Selbstauflösung am 5. Juli, nachdem die Bayerische Volkspartei (BVP) denselben Schritt einen Tag vorher nach Massenverhaftungen ihrer Funktionäre vollzogen hatte. Das Ende des deutschnationalen Bündnispartners der Nationalsozialisten, der DNVP, vollzog sich wechselvoller und verdeutlichte noch einmal das ganze Dilemma und Versagen der konservativen Zähmungspolitik. Auch Hugenberg und seine Parteifreunde, die sich dagegen wehrten, in die Rolle hilfloser Zauberlehrlinge zu geraten, die der von ihnen ins Amt gehobenen Nationalsozialisten nicht mehr Herr werden konnten, mußten am Ende einsehen, daß der Sog der Gleichschaltung der NSDAP mit ihren Wählermassen und ihrer größeren Dynamik zugute kam. Das geschah auf der Ebene der Regierungspolitik wie in der politischen Öffentlichkeit. Papen war gleich mehrmals als Kontrolleur überspielt worden. Mit dem ungeschickten Taktieren des "Wirtschaftsdiktators" Hugenberg in der nationalen wie in der internationalen Wirtschaftspolitik, das zunächst zu seiner Isolierung im Kabinett und dann zu seinem Rücktritt am 26. Juni 1933 führte, war der letzte Eckpfeiler der Zähmungsstrategie sang- und klanglos eingestürzt. In der Partei war nach dem Ermächtigungsgesetz die Tendenz zur Selbstbehauptung durch Anpassung in Organisation und politischem Stil gewachsen, doch auch die neugebildeten "Deutschnationalen Kampfringe" konnten die politische Bewegung nicht auffangen. Hinzu kamen Verleumdungen, Unterstellungen und Pressionen durch die Nationalsozialisten, die zunächst gegen die angeblichen antinationalsozialistischen Aktivitäten des Fraktionsvorsitzenden Ernst Oberfohren gerichtet waren und zu dessen Ablösung führten. Seit dem Übertritt von Stahlhelmführer Seldte am 26. April zur NSDAP gab es kein Halten mehr, zumal der Druck auf die selbstbewußten Parteimitglieder noch zunahm, bis schließlich Mitglieder der "Kampfringe" unter der aberwitzigen Behauptung verhaftet wurden, ihre Organisationen seien marxistisch unterwandert. Immerhin war die DNVP die einzige Partei, die sich als Belohnung für ihre Rolle als Steigbügelhalter der nationalsozialistischen Machteroberung durch ein "Freundschaftsabkommen" vom 27. Juni ihr Ende versüßen ließ. Alle verhafteten Mitglieder wurden entlassen, alle Abgeordneten als Hospitanten in die NSDAP aufgenommen. Der Stahlhelm war schon am 21. Juni in die SA überführt worden. Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de
|
|