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Widerstand
 

Widerstand vor 1933
WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS VOR 1933

Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) war als kleiner Splitter der völkisch-rechtsradikalen Protestbewegung nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in München entstanden. Als Stoßtrupp einer "nationalen Revolution" wollte ihr Führer Adolf Hitler 1923 an der Spitze der NSDAP von München aus die demokratische Reichsregierung in Berlin beseitigen. Nach dem Scheitern des Putsches versank die Hitlerbewegung für einige Jahre in Bedeutungslosigkeit. Die Jahre 1924 bis 1928 benutzte Hitler, der in seiner kurzen Haft in Landsberg sein programmatisches Bekenntnisbuch "Mein Kampf" schrieb, zum Wiederaufbau der Parteiorganisation und zur Erprobung der Propagandatechnik und Massenregie.
Die Parlamentswahlen wurden von der NSDAP nur zu propagandistischen Zwecken und als Erfolgsbarometer benützt. Noch 1928 brachten die Reichstagswahlen der Partei nur 2,6 Prozent der Stimmen und 12 Mandate. Der Aufstieg von der radikalen politischen Sekte zur Massenpartei gelang erst nach dem Bruch der Großen Koalition von SPD, DDP, Zentrum und DVP unter Reichskanzler Hermann Müller im Frühjahr 1930. Mit dem Ende dieses Kabinetts war die Weimarer Republik kein parlamentarisch regierter Staat mehr. Die konservativen Regierungen unter Brüning, Papen und Schleicher stützten sich nur noch auf die Autorität des Reichspräsidenten Hindenburg. Die weltweite Wirtschaftskrise und das krasse Ansteigen der Arbeitslosigkeit bildeten den Hintergrund weiterer Radikalisierung des öffentlichen Lebens: In den Reichstagswahlen und im September 1930 errang die NSDAP mehr als 18 Prozent der Stimmen und war mit 107 Mandaten zweitstärkste Partei geworden. Im Juli 1932 verbesserte sie sich sogar auf 37,3 Prozent und 230 Mandate. Sie war damit stärkste Partei, aber ihre größte Zustimmung bei freien Wahlen hatte sie damit erreicht. Als im November 1932 abermals gewählt wurde, bekam die NSDAP noch 33,1 Prozent und 196 Mandate. Sie blieb aber die stärkste Fraktion im Reichstag.
Viele Wähler und Mitglieder der demokratischen bürgerlichen Parteien waren sich der durch den Nationalsozialismus drohenden Gefahr nicht bewußt. Sie sahen ihn lediglich als radikale Randerscheinung einer Krisenzeit. Im übersteigerten Nationalbewußtsein, in der Überzeugung, daß Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg Unrecht geschehen sei, in der Hoffnung auf die Überwindung des Versailler Friedensvertrages und in der Abneigung gegen das neue und ungewohnte parlamentarisch-demokratische System der 1918/19 errichteten Republik waren sich viele konservative Bürger mit den antidemokratischen Extremisten einig. Während Nationalkonservative auf ein Zweckbündnis mit der NSDAP hofften, das sie nach der gemeinsamen Schaffung eines autoritären Staates wieder auflösen könnten, betrachteten die Nationalsozialisten ihre bürgerlich-deutschnationalen Partner nur als Gehilfen bei der Erringung der absoluten Macht im Staat, den sie dann ganz allein nach ihren Vorstellungen umgestalten wollten.
Eine verhängnisvolle und folgenschwere Vorleistung konservativer Gruppierungen zugunsten der Nationalsozialisten war die Entmachtung der preußischen Regierung am 20. Juli 1932 durch den Reichskanzler Franz von Papen, der damit zum "Steigbügelhalter" Hitlers wurde. In einer widerrechtlichen Aktion ("Papenstreich") erklärte Papen die sozialdemokratisch geführte preußische Regierung unter Ministerpräsident Otto Braun, die mit dem Innenminister Severing als Bollwerk der Demokratie und des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus gegolten hatte, für abgesetzt. Der Reichskanzler übernahm selbst als Staatskommissar die Regierungsgeschäfte Preußens und ebnete so im größten deutschen Land den Weg zur Machtübernahme der Nationalsozialisten.

Frühe Warnungen

Einige Schriftsteller, Künstler, Intellektuelle und Wissenschaftler warnten frühzeitig vor dem Nationalsozialismus, aber ohne Erfolg. "Daß der Nazi dir einen Totenkranz flicht: Deutschland, siehst du das nicht?" fragte Kurt Tucholsky 1930 in seinem Gedicht "Deutschland, erwache". Zwei Jahre später schrieb er für die berühmte, aber damals nur von einem kleinen Kreis Intellektueller gelesene Zeitschrift "Die Weltbühne" die Satire "Hitler und Goethe", in der ein Schulaufsatz als Form diente, um rechtsradikale Einfalt und Großmäuligkeit vorzuführen. Der Vergleich ging zu Ungunsten Goethes aus ("Hitler dagegen ist Gegner der materialistischen Weltordnung und wird diese bei seiner Machtübergreifung abschaffen sowie auch den verlorenen Krieg, die Arbeitslosigkeit und das schlechte Wetter").
Carl von Ossietzky, der Herausgeber der Zeitschrift "Weltbühne", schrieb Ende 1931, als Hitler an der Schwelle zur Macht schien, ein vernichtendes Urteil über den Nationalsozialismus: "Die gleiche Not, die alle schwächt, ist Hitlers Stärke. Der Nationalsozialismus bringt wenigstens die letzte Hoffnung von Verhungernden: den Kannibalismus. Man kann sich schließlich noch gegenseitig fressen. Das ist die fürchterliche Anziehungskraft dieser Heilslehre. Sie entspricht nicht nur den wachsenden barbarischen Instinkten einer Verelendungszeit, sie entspricht vor allem der Geistessturheit und politischen Ahnungslosigkeit jener versackenden Kleinbürgerklasse, die hinter Hitler marschiert."
Wegen ihres künstlerischen Rangs sind die antifaschistischen Grafiken und Bilder von George Grosz legendär geworden, nicht minder die Fotomontagen von John Heartfield. Beide gehörten der KPD an und verstanden sich als Klassenkämpfer und Streiter gegen Reaktion und Faschismus in der Weimarer Republik. John Heartfields Ausdrucksmittel waren das politische Plakat und die Arbeiter-Illustrierten-Zeitung. Zusammen mit Grosz arbeitete Heartfield auch für den Malik-Verlag seines Bruders Wieland Herzfelde, dem bedeutendsten literarischen und künstlerischen Forum der revolutionären Linken bis 1933.
Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger hat in seinem 1930 erschienenen Zeitroman "Erfolg - Drei Jahre Geschichte einer Provinz" ein scharfes Bild der damaligen politischen Landschaft Bayerns gezeichnet, in dem Hitler als "Rupert Kutzner", als Führer der "Wahrhaft Deutschen" nicht weniger lächerlich als gefährlich geschildert ist. Der Aufstieg Hitlers, der Putschversuch von 1923, Begeisterung und Zustimmung seiner Anhänger erscheinen als bemitleidenswertes wie verabscheuungswürdiges Gemisch aus nationalistischer Aufwallung, Desorientierung, Sehnsucht nach heiler Welt. Kutzner wird geschildert als ein Schmierenkomödiant, dessen Gesten einstudiert sind, ein feiger Maulheld, getrieben von Ehrgeiz und Sendungsbewußtsein: "Reden war der Sinn seiner Existenz".
Mit rechtsradikalen Mördern beschäftigte sich seit Beginn der Weimarer Republik der Wissenschaftler Emil Julius Gumbel, seit 1923 Privatdozent für Statistik an der Universität Heidelberg, bekannt als Anhänger der Friedensbewegung und streitbarer Redner. Als Mitglied der "Deutschen Liga für Menschenrechte", als entschiedener Verteidiger der Republik und Verfechter der Aussöhnung mit Frankreich schrieb er über die Umtriebe der Rechtsextremisten, über den Terror der Hitleranhänger und immer wieder über die Zahl der "Fememorde", die feigen Morde aus dem Hinterhalt gegen politisch Andersdenkende. 1931 stellte er, im Auftrag der "Liga für Menschenrechte", eine Schrift zusammen "Laßt Köpfe rollen - Faschistische Morde 1924-1931". Der Titel war ein Zitat aus der NS-Propaganda. Auf 23 Seiten waren 63 Morde, die Nationalsozialisten bis 1931 verübt hatten, aufgelistet und beschrieben. Gumbels Schlußfolgerung lautete: "Diese Zahlen verlaufen ungefähr parallel dem Anwachsen der nationalsozialistischen Bewegung, von 1924 bis 1929 sehr langsam, dann sprunghaft rasch. In diesen Bluttaten offenbart der Faschismus sein wahres Gesicht. Er zeigt dem deutschen Volk die Methoden, deren er sich bedienen wird, wenn er zur Macht kommen sollte."
Noch schlimmer als Gumbel, dem 1932 die Lehrbefugnis entzogen wurde, erging es dem Philosophen Theodor Lessing, der bereits 1926 wegen Kritik an Reichspräsident Hindenburg als exponierter Linker, Pazifist und Kämpfer gegen Rechtsradikalismus seine außerordentliche Professur an der Technischen Hochschule Hannover verloren hatte. Lessing floh im Frühjahr 1933 ins Exil nach Prag, wo er Ende August von Nationalsozialisten ermordet wurde. Anhänger der Friedensbewegung wurden von den Nationalsozialisten von vornherein als Gegner klassifiziert, sie fanden sich daher zahlreich auf den Ausbürgerungslisten des zur Macht gekommenen nationalsozialistischen Regimes.

Kritik am Antisemitismus

Heftige Kritik an der nationalsozialistischen Ideologie und ihrer Vorkämpfer gab es in vielfacher Form auch von bürgerlich-linksliberaler Seite. Der prominenteste Vertreter war wohl der spätere Bundespräsident Theodor Heuss, der wie sein Parteifreund Reinhold Maier (1957-1960 Vorsitzender der FDP) nach der "Machtergreifung" und der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz im März 1933 in der "inneren Emigration" verharrte. Gegen den Antisemitismus der NSDAP hatte Heuss ganz früh Partei ergriffen. Anfang 1932 erschien sein Buch "Hitlers Weg. Eine historisch-politische Studie über den Nationalsozialismus". Es war die erste von acht Auflagen. Übersetzt wurde das Buch in mehrere Sprachen. Heuss wollte einen bewußt distanziert-kühlen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus leisten. Er wollte lieber argumentativ als polemisch die historischen und psychologischen Voraussetzungen der Hitler-Bewegung diskutieren. Es fehlte dem liberalen politischen Schriftsteller Heuss die Phantasie sich vorzustellen, mit welcher Brutalität und Mordlust das NSDAP-Programm dann ab 1933 in die Wirklichkeit umgesetzt wurde. Immerhin finden sich in seiner Schrift folgende Sätze: "Die Zerstörung jüdischer Friedhöfe muß eine Gemeinschaft tief treffen, in der, im Widerspruch zu allem Geschwätz von der individualistischen Auflösungskraft des Jüdischen, die Familie lebensvolle Bindung auch in die Vergangenheit bedeutet, sie beschmutzt uns alle. Wir tragen einen Fleck an uns herum, seit in Deutschland solches, feig und ehrfurchtslos, möglich wurde."
Über einen anderen Gegner, den Schriftsteller Konrad Heiden, ärgerten sich die Nationalsozialisten noch mehr als über Heuss. Heiden veröffentlichte 1932 ein Buch "Geschichte des Nationalsozialismus, die Karriere einer Idee", die als gut recherchierte Kampfschrift Wirkung hatte. Der Autor, ehemals Korrespondent und Redakteur der Frankfurter Zeitung und Mitarbeiter der Vossischen Zeitung, emigrierte im April 1933. Vom Saarland aus setzte er den Widerstand gegen den Nationalsozialismus fort, mit dem Buch "Geburt des Dritten Reiches" (1934) und den unter dem Pseudonym Klaus Bredow publizierten Schriften "Hitler rast" (1934) und "Sind die Nazis Sozialisten?" (1934). Heiden war auch der Verfasser der ersten großen und kritischen Biographie Hitlers, die 1936/37 in zwei Bänden in Zürich erschien (zugleich mit englischen, amerikanischen und französischen Ausgaben), geschrieben aus dem Geist des Widerstandes.
Ebenfalls im Krisenjahr 1932 veröffentlichte Ernst Niekisch eine Warnung "Hitler - ein deutsches Verhängnis". Er war geistiger Mittelpunkt einer elitären Oppositionsbewegung mit nationalkonservativen und nationalbolschewistischen Elementen. 1939 wurde er, nachdem seine Zeitschrift "Widerstand - Blätter für nationalrevolutionäre Politik" schon 1934 verboten war, wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt. Als Widerstandskämpfer wurde er u. a. angeklagt, weil er das Manuskript "Das Reich der niederen Dämonen" - eine vernichtende Kritik des "Dritten Reiches" - verfaßt hatte, das im Ausland erscheinen sollte. Im "Völkischen Beobachter", der wichtigsten Zeitung der NSDAP, war 1938 über den Niekisch-Prozeß zu lesen: "Schon lange vor 1933 trat er in Gegensatz zum Nationalsozialismus und bekämpfte auch nach der Machtübernahme bis zu seiner Festnahme die politischen und wirtschaftlichen Ziele des nationalsozialistischen Staates in hetzerischer Weise, wobei er die führenden Persönlichkeiten des Dritten Reiches in übelster Form beschimpfte." Die Rote Armee befreite Niekisch 1945 aus dem Zuchthaus Brandenburg.

Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright
Bundeszentrale für politische Bildung
www.bpb.de


 
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