Young-Plan
Auf der Basis des Dawes-Plans und der Locarno-Verträge kam es in den folgenden Jahren zu weiteren Verbesserungen des deutsch-französischen Verhältnisses, insbesondere der Handelsbeziehungen. Stresemann und Briand fassten bei ihren Gesprächen in Thoiry am 17. September 1926 sogar bereits eine schnelle Gesamtlösung ins Auge: vollständige Räumung des Rheinlandes gegen eine vorzeitige Ablösung der Reparationen, das heißt gegen Abtretung der hinterlegten Dawes-Schuldverschreibungen im Umfang von 16 Milliarden Mark an Frankreich. Diese Idee scheiterte jedoch am Widerstand des Ministerpräsidenten Poincaré und der französischen Nationalisten sowie an der ablehnenden Haltung der amerikanischen Banken. Nach dem Eintritt in den Völkerbund nahm das internationale Ansehen Deutschlands weiter zu. Ein von Briand und dem US-Außenminister Kellogg geplantes amerikanisch-französisches Abkommen zur Ächtung des Krieges als Mittel der Politik konnte durch die Vermittlung Stresemanns auf eine breite internationale Basis gestellt werden. Dem "Briand-Kellogg-Pakt" vom 28. August 1928 traten zunächst 15 Staaten bei, Ende 1929 waren es bereits 54. Als sich Ende 1928 abzeichnete, dass die Umstellung der jährlichen Reparationszahlungen auf die "Normalrate" von 2,5 Milliarden RM die deutsche Zahlungsfähigkeit überforderte, drängte die seit Mai amtierende Regierung der Großen Koalition (siehe Seite 43) unter Reichskanzler Hermann Müller (SPD) auf eine endgültige Regelung der Reparationsfrage zu erträglichen Bedingungen. Das Ergebnis schwieriger und langwieriger Verhandlungen war ein von dem amerikanischen Wirtschaftsexperten Owen D. Young entworfener Plan, der folgende Neuregelungen enthielt: ·Eine zeitliche Begrenzung der Reparationsschuld auf 59 Jahre (das heißt bis 1988) und eine Festsetzung der Gesamthöhe auf 112 Milliarden RM. ·Eine Herabsetzung der Jahresraten. Sie sollten in den ersten 37 Jahren allmählich von 1,7 auf 2,1 Milliarden RM ansteigen und danach den jährlichen Kriegsschulden-Rückzahlungen der Alliierten an die USA angepasst werden. Allerdings waren unter allen Umständen - das heißt ohne "Transferschutz" für Zeiten wirtschaftlicher Depression - jährlich 600 Millionen RM in Devisen zu zahlen. ·Die Abwicklung der Zahlungen in deutscher Verantwortung über eine "Bank für internationalen Zahlungsausgleich" in Basel. Die alliierte Reparationskommission und der Reparationsagent stellten ihre Tätigkeit ein. Das Reich erlangte damit seine wirtschafts- und finanzpolitische Souveränität zurück. ·Die vorzeitige Räumung des Rheinlandes durch die Alliierten bis zum 30. Juni 1930 (statt 1935) - ein außenpolitischer Triumph, den Stresemann nicht mehr erlebte. Mochte auch die Aussicht auf Reparationszahlungen bis 1988 auf den ersten Blick erschrecken, so konnte doch kein Zweifel daran bestehen, dass der Young-Plan gegenüber allen bisherigen Regelungen eine weitere deutliche Verbesserung darstellte. Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de
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