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Weltweite Wirtschaftskrise
 

Hindenburgs Amtsführung
Paul von Hindenburg  ( 2. Oktober 1847 - 2. August 1934)Paul von Hindenburg ( 2. Oktober 1847 - 2. August 1934)

Die von manchen gehegte Hoffnung, der neue Reichspräsident werde die Demokratie vielleicht sogar weiter festigen, denn er könne wie kein anderer die Monarchisten mit der Republik versöhnen, erfüllte sich nicht. Im Gegensatz zu Stresemann war und wurde Hindenburg kein "Vernunftrepublikaner". Vielmehr verstand er sich als Statthalter und Interessenvertreter der Hohenzollernmonarchie. Dieses Selbstverständnis - zu dem er sich freilich nur im Kreise seiner Vertrauten bekannte - erschließt sich aus vielen seiner Verhaltensweisen und Amtshandlungen.
Einige Beispiele:

·1925/26 überdehnte der Reichspräsident den Artikel 45 WV, der ihm die völkerrechtliche Vertretung des Deutschen Reiches zuwies, indem er sich unmittelbar in die Außenpolitik einmischte: Er nahm Einfluss auf die Zusammensetzung der deutschen Völkerbunddelegation und gab ihr direkte Verhandlungsanweisungen.

·Hindenburg brachte 1925 einen Gesetzentwurf der SPD zur Beschränkung der Ansprüche der 1918 abgesetzten (nicht enteigneten) Fürstenhäuser auf Rückgabe ihres Vermögens bzw. Entschädigung zu Fall, indem er ihn für verfassungsändernd erklärte - obwohl Artikel 153 Abs. 2 WV auch entschädigungslose Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit mittels einfacher Gesetze durchaus zuließ. Das Volksbegehren der KPD zur entschädigungslosen Enteignung der Fürsten, dem sich SPD und Gewerkschaften anschlossen und das in der Bevölkerung auf große Resonanz stieß, nannte der Reichspräsident einen "bedenklichen Verstoß [...] gegen die Grundlagen der Moral und des Rechts" und duldete die Verwendung dieses Zitats auf den Plakaten der Gegner des Volksbegehrens (DNVP, BVP, DVP, Zentrum und Kirchen), was einem Amtsmissbrauch gleichkam. Nach erfolgreichem Volksbegehren stimmten beim Volksentscheid am 20. Juni 1926 immerhin dennoch 14,5 Millionen Bürger für die Fürstenenteignung. Die zur Mehrheit erforderlichen etwa 20 Millionen wurden aber nicht erreicht.

Erwerbslose demonstrieren zum Volksbegehren für die Fürstenenteignung. März 1926 Erwerbslose demonstrieren zum Volksbegehren für die Fürstenenteignung. März 1926

·Ende 1926 verhinderte Hindenburg ein Ausführungsgesetz zum Artikel 48 WV, das seine Diktaturvollmachten einschränken sollte. Gerade im Notfall sei es geboten, schrieb er am 26. November an Reichskanzler Marx, dem Reichspräsidenten "freie Hand zu lassen in der Wahl und in der Durchführung der [...] Abwehrmaßnahmen". Der Gesetzentwurf werde "mit Sicherheit zu schweren Kämpfen im Reichstag führen", eine kaum verhüllte Drohung.
Wenn Hindenburg es nicht für seine Aufgabe hielt, vorbehaltlos für die parlamentarisch-demokratische Republik einzutreten, so wurde er darin von seinen engeren Beratern bestärkt. Zu dieser "Kamarilla" gehörten:

·Otto Meissner, Staatssekretär im Reichspräsidentenpalais, der Ebert, Hindenburg und später Hitler gleichermaßen diente,

·Oskar von Hindenburg, Reichswehr-oberst, der politisch problematische Adjutant und nach zeitgenössischem Spott "in der Verfassung nicht vorgesehene Sohn des Reichspräsidenten",

·Elard von Oldenburg-Januschau, ein prominenter ostpreußischer Gutsbesitzer und Interessenvertreter der ostelbischen Großagrarier, der mittels Industriespenden dafür sorgte, dass der Reichspräsident zu seinem 80. Geburtstag am 2. Oktober 1927 das ostpreußische Gut Neudeck als "Geschenk des deutschen Volkes" erhielt,

·Kurt von Schleicher, Oberst, später General im Reichswehrministerium.

Diese Präsidentenberater verfolgten gemeinsame politische Ziele: Überwindung des Versailler Vertrages (vor allem der Entwaffnungs- und Reparationsvorschriften), Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1914, Beseitigung der Demokratie und des Einflusses der politischen Linken, Rückkehr zur Monarchie.
Dessen ungeachtet schien die politische Stabilisierung weiterhin Fortschritte zu machen. Der Braunkohlen-Industrielle und stellvertretende Vorsitzende des "Reichsverbandes der deutschen Industrie" (RDI), Paul Silverberg, legte am 6. September 1926 in einer aufsehenerregenden Rede auf einer RDI-Tagung ein klares Bekenntnis zur Republik ab und empfahl sogar eine Regierungsbeteiligung der SPD.
Ende September 1926 wurde bekannt, dass der Chef der Heeresleitung, General von Seeckt, eigenmächtig den ältesten Sohn des Kronprinzen zur Teilnahme an Manövern des als besonders "preußisch" geltenden Infanterieregiments 9 eingeladen hatte. Reichswehrminister Geßler entschloss sich zum Durchgreifen und drängte Seeckt energisch zum Rücktritt. Zwar bedeutete die im In- und Ausland stark beachtete Absetzung Seeckts, des demokratisch unzuverlässigen "starken Mannes der Reichswehr", einen Fortschritt für die Republik; als aber der amtsmüde gewordene Geßler am 14. Januar 1928 zurücktrat, erlitt die Demokratie einen Rückschlag:
Als Nachfolger akzeptierte die Bürgerblock-Regierung Hindenburgs Wunschkandidaten, den parteilosen Generalquartiermeister a.D. Wilhelm Groener. Von jetzt an befanden sich das Reichspräsidentenamt und das Reichswehrministerium sozusagen in der Hand der letzten kaiserlichen Obersten Heeresleitung. Durch die Förderung seines alten und neuen Chefs Groener stieg der frühere Major im Hauptquartier der OHL, Oberst Kurt von Schleicher, innerhalb weniger Jahre militärisch zum Generalleutnant und Leiter des Ministeramts (eine Art Staatssekretär) auf; politisch wurde er als Vertrauter Hindenburgs der strategische Kopf der "Kamarilla".


Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright
Bundeszentrale für politische Bildung
www.bpb.de


 
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