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Terrorismus
In den ersten Jahren der Republik fielen zahlreiche prominente Kommunisten, Sozialdemokraten, liberale und katholische Demokraten politischen Mordanschlägen zum Opfer. Die Täter waren fast ausnahmslos ehemalige oder aktive junge Reichswehroffiziere bzw. Freikorpsleute und gehörten in der Regel zur deutschvölkischen Szene. Soweit sie gestellt werden konnten, kamen sie meist mit verhältnismäßig milden Strafen davon. Spätestens 1933 wurden sie vom NS-Regime amnestiert. Hier seien nur die bekanntesten Mordanschläge aufgeführt: Schon im Januar 1919 wurden die KPD-Führer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet, im Februar der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD). Im August 1921 wurde im Schwarzwald der Unterzeichner des Waffenstillstandes und frühere Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (Zentrum) getötet. Am 4. Juni 1922 entging der Kasseler Oberbürgermeister und erste Ministerpräsident der Republik, Philipp Scheidemann (MSPD), nur knapp einem Blausäure-Attentat. Als kaum drei Wochen später, am 24. Juni, der jüdische Außenminister Walther Rathenau (DDP) in Berlin in seinem Dienstwagen erschossen wurde, kam es zu gewaltigen Protestdemonstrationen. Diese Attentatsserie auf prominente Linke, Demokraten und Juden war die extremste Folge der politischen Polarisierung. Nationalistische Kampagnen gegen einzelne Politiker hatten am rechten Rand der DNVP und in der deutschvölkischen Szene sowie in der dazugehörigen Presse die Entstehung eines Hass- und Gewaltklimas gefördert, in dem die physische Vernichtung politischer Gegner sozusagen als salonfähig galt. Zumindest die Mordanschläge auf Erzberger, Rathenau und Scheidemann gingen nicht etwa auf fanatische Einzeltäter zurück, sondern waren das Werk einer rechtsradikalen terroristischen Untergrundgruppe. Die Mörder, die in der Marinebrigade Ehrhardt gedient hatten, gehörten der Untergrund-"Organisation Consul" (O. C.) an. Ihre Befehle erhielten sie vom Gründer und Chef der O. C., Kapitän Hermann Ehrhardt, der getarnt in Bayern lebte, um sich dem Zugriff der preußischen Polizei zu entziehen. Er verfügte über ausgezeichnete Verbindungen zu bayerischen Regierungsstellen. Der Münchner Polizeipräsident Pöhner, ein NSDAP-Sympathisant, versorgte ihn zum Beispiel mit falschen Pässen. In der Münchner Zentrale der O. C., deren Organisationsnetz sich über ganz Deutschland erstreckte, arbeiteten zeitweise bis zu dreißig hauptamtliche Mitarbeiter. Nach dem Scheitern des Kapp-Lüttwitz-Putsches verfolgte Ehrhardt den Plan, durch gezielte Anschläge auf demokratische Politiker die Linke zu einem großen Aufstand zu verleiten. Dessen Niederschlagung durch Reichswehr, Polizei und deutschvölkische Kampfverbände sollte dann in die Errichtung einer nationalen Diktatur münden. Diese Terrorstrategie schlug fehl, aber sie kostete Menschenleben und vergiftete die politische Atmosphäre. Als Reaktion auf die Mordanschläge verabschiedete der Reichstag am 21. Juli 1922 ein "Republikschutzgesetz". Vereinigungen, die es unternahmen, Regierungsmitglieder zu töten oder die republikanische Staatsordnung zu beseitigen, wurden mit schweren Strafen bedroht. Dafür zuständig wurde ein neu eingerichteter (1926 wieder aufgelöster) "Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik", der jedoch nur wenig bewirkte. Im Oktober 1922 verurteilte er zwar 13 Personen wegen Beihilfe zur Ermordung Rathenaus zu Freiheitsstrafen, erklärte jedoch eine Verschwörung für unbewiesen. Im Januar 1923 verbot er den Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund; aber dessen Mitglieder verteilten sich einfach auf andere völkische Organisationen, darunter die NSDAP. Als Ende 1924 doch noch ein Prozess gegen Mitglieder der O. C. stattfand, wurden diese "ehrenhaften, wahrheitsliebenden und unerschrockenen Männer" (so der Oberreichsanwalt als Ankläger) freigesprochen. Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de
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