1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
Versailles
 

Rechtsradikalismus
Im Zuge des Kriegsendes und der Revolution von 1918/19 entstand ein rechtsradikales Lager, das sich aus zahlreichen konkurrierenden Parteien und Organisationen zusammensetzte. Zwischen diesen bestand nur ein loser politischer Zusammenhang, hauptsächlich in Form häufiger Mehrfachmitgliedschaften. Die ideologischen Grenzen zwischen diesem offenen Rechtsradikalismus und dem besonders scharf ausgeprägten Nationalkonservatismus am rechten Rand der DNVP waren oft fließend.
Die Frühjahrsunruhen 1919 veranlassten überall in Deutschland Mittelständler und Bauern zur Bildung lokaler antirevolutionärer Selbstschutzverbände. Der Schwerpunkt dieser milizartigen, bewaffneten "Einwohnerwehren" lag in Bayern, wo sie mehr als 350000 Mitglieder hatten und zum Teil auch überregional organisiert waren. In den protestantischen Gebieten Bayerns arbeiteten sie mit dem als "Bayerische Mittelpartei" (BMP) auftretenden Landesverband der DNVP zusammen, in den katholischen Regionen mit der "Bayerischen Volkspartei" (BVP), die weit rechts vom Zentrum (ihrer früheren Mutterpartei) angesiedelt war und in Bayern politisch den Ton angab.
Gute Beziehungen besaßen BVP und BMP auch zu den diversen "deutschvölkischen" Geheimbünden, Gruppen, Kampfverbänden und Parteien. Deren Mitgliederschaft bestand hauptsächlich aus entlassenen Soldaten und Freikorpsleuten, die der Krieg sozial entwurzelt und moralisch verwildert hatte. Die deutschvölkische Szene war politisch wesentlich radikaler und trat bei weitem militanter auf als die überwiegend bürgerlichen Einwohnerwehren. Zum vorläufigen Kristallisationskern der aggressiven rechtsradikalen Strömungen entwickelte sich rasch - vor allem in Bayern - der "Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund" mit über 100000 Mitgliedern. Aber auch die "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" (NSDAP) machte unter ihrem rednerisch begabten Vorsitzenden Adolf Hitler, einem österreichischen Gelegenheitsarbeiter und dekorierten Frontsoldaten, bald über München hinaus von sich reden. Ende 1920 besaß sie bereits eine eigene Zeitung, den "Völkischen Beobachter", seit August 1921 auch einen eigenen Kampfverband, die "Sturmabteilung" (SA). Ende 1922 hatte die NSDAP etwa 10000 Mitglieder.
Aus der Sicht der deutschvölkischen Szene galt es KPD, USPD, MSPD, Gewerkschaften und bürgerliche Demokraten mit allen Mitteln zu bekämpfen, da sie angeblich die Schuld an allen Übeln trugen. Der Krieg sei das Werk einer "jüdischen Weltverschwörung" gewesen, Waffenstillstand und Friedensvertrag die Folge des "Dolchstoßes" und der Revolution. Die parlamentarische Demokratie hielten die Deutschvölkischen für etwas "Undeutsches", von den Siegern Aufgezwungenes. Die Weimarer Republik hieß bei ihnen nur "das System", ihre Repräsentanten beschimpften sie als "Novemberverbrecher". An die Stelle der Demokratie wollten sie einen starken Staat setzen, den sich nur wenige noch als Monarchie, die meisten dagegen als "Führerstaat" nach dem Vorbild des italienischen Faschismus unter Benito Mussolini vorstellten.


Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright
Bundeszentrale für politische Bildung
www.bpb.de


 
Druckversion Druckversion
Fenster schliessen
Fenster schliessen