1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
Machtergreifung
 

Strategie der Machteroberung
Unsicherheit und ein unbestimmtes Bedürfnis nach Veränderung prägte die Stimmung der Bevölkerung. Man war von der erdrückenden Last des Alltags zu sehr beladen, um sich für politische Visionen zu begeistern. Auch die Parole von der "Nationalen Erhebung", mit der die NSDAP überall agitierte, blieb angesichts der Not ohne Wirkung. Für die Republik von Weimar wollte sich aber erst recht niemand einsetzen. Allerdings war die Anhängerschaft der NSDAP im Januar 1933 noch in der Minderheit. Schließlich hatte die NSDAP trotz ihrer gewaltigen Wahlerfolge vom Sommer 1932 zu keinem Zeitpunkt in freien Wahlen die Mehrheit der Deutschen hinter sich bringen können. Selbst die nicht mehr freien Wahlen zum Reichstag vom März 1933, die unter massiver Behinderung durch SA-Trupps und inmitten von Verfolgungsaktionen gegen die politische Linke stattfanden, brachten diese Mehrheit nicht. Die Zeit der massenhaften Parteieintritte kam erst nach dem Wahltag. Zählte die NSDAP im Januar 1933 noch 850000 Mitglieder, so waren es zwei hre später 2,5 Millionen. Was die Nationalsozialisten in ihrer Propaganda als Revolution bezeichneten, wurde von den Zeitgenossen meist als gleitender Übergang wahrgenommen und vollzog sich im Rückblick als stufenförmiger Vorgang. Basis für Hitlers Weg zur Diktatur war seine Stellung als Reichskanzler einer Präsidialregierung. Das bot den Vorteil, für den politischen Umsturz die Machtmittel des Staates zu besitzen. Hitler konnte sich neben der eigenen Massenbewegung auf die autoritäre Herrschaftstradition berufen und verfügte vor allem mit dem Notverordnungsrecht über das entscheidende politische Instrument, mit dem auch die Mitwirkung der traditionellen Eliten in Bürokratie, Diplomatie, Militär und Wirtschaft gesichert werden konnte.
Zu welchen Zielen Hitler die Macht in einem autoritären Führerstaat nutzen wollte, das offenbarte er in einer vertraulichen Rede vor Truppen- und Wehrkreisbefehlshabern am 3. Februar 1933. Um die "Wiederwehrhaftmachung" des deutschen Volkes zu erreichen, sollten Parlamentarismus und Demokratie abgeschafft werden. In dem uns überlieferten Stichwortprotokoll eines Beteiligten heißt es dazu: "Völlige Umkehrung der gegenwärtigen Zustände in Deutschland. Keine Duldung der Betätigung irgendeiner Gesinnung, die dem Ziel entgegensteht (Pazifismus). Wer sich nicht bekehren läßt, muß gebeugt werden. Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel. [...] Todesstrafe für Landes- und Volksverrat. Straffste autoritäre Staatsführung. Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie."
Über den Weg und die politischen Mittel zu der Machteroberung aber gab es in der NS-Führung offenkundig keine genauen Vorstellungen. Einen minutiösen Fahrplan der Gewinnung und Sicherung der Macht besaßen die Nationalsozialisten nicht, wohl aber verfügten sie über Techniken der Mobilisierung und Organisation von Massen, der Durchdringung und Unterwanderung von Institutionen und Verbänden, der Freisetzung von immer neuen Energien und Aktivitäten. Und sie besaßen den Willen zu Selbstbehauptung und Unterwerfung anderer. Kurzum alles, was sie in ihrer "Kampfzeit" zwischen 1919 und 1933 gelernt und perfektioniert hatten, übertrugen sie auf ihre Machteroberungspolitik. Dies führte zur ungehemmten, fast anarchischen Entladung von politischen Machtansprüchen einzelner Parteiführer und Parteigliederungen, die nun untereinander um die Ausweitung ihrer Macht und Einflußsphären in Ministerien, staatlicher Verwaltung und gesellschaftlichen Verbänden stritten. Das führte zunächst zur Ablösung bisheriger Führungsgruppen unzur Gleichschaltung von Staat und Gesellschaft, aber dann auch zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen den einzelnen nationalsozialistisch dominierten Ministerien und Ämtern bzw. Parteiapparaten. Daß diese Machteroberungs- und Machterhaltungskonflikte nicht in eine Auflösung von Staat und Verwaltung mündeten, lag an der stabilisierenden Funktion der überkommenen Macht- und Verwaltungsapparate, die der elementaren Kraft der nationalsozialistischen Parteirevolution gleichsam ein Stützkorsett anzogen.


Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright
Bundeszentrale für politische Bildung
www.bpb.de


 
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