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Deutsche Geschichten


Das neue Europa
Am 1. Mai 2004 traten 10 neue Staaten der EU bei. "Das alte Europa" wurde zum "Wort des Jahres 2003"...

Etappen der Einigung

Die europäische Einigung der Nachkriegsgeschichte verlief in einer Vielzahl von Schritten. Dabei gab es neben Erfolgen auch immer wieder Phasen des Stillstandes und ernst zu nehmende Rückschläge. Alle Entscheidungen von Bedeutung wurden dabei nicht von den nationalen Parlamenten oder von dem seit 1979 direkt gewählten Europäischen Parlament, sondern von den wichtigsten nationalen Politike-
rinnen und Politikern - vor allem den Staats- und Regie-
rungschefs der EG-Staaten - getroffen. Die folgenden Etappen sind in der europäischen Einigungs-
geschichte von besonderer Bedeutung:
Europarat: Die am 5. Mai 1949 erfolgte Gründung des Europa-
rats war ein erster Versuch, die europäischen Staaten näher zusammen zu bringen. Seine Mitglieder verpflichteten sich auf den Schutz und die Förderung gemeinsamer Ideale und Grundsätze. Hierzu gehören vor allem die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie die Vorherrschaft des Rechtes. Deutschland trat dem Europa-
rat im Juli 1950 bei. Die Strukturen des Europarates waren und sind - entsprechend

dem intergouvernementahlen Prinzip - auf die freiwillige Zusammenarbeit von Regie-
rungen ausgerichtet. Das vorherrschende Rechtsinstru-
ment ist die Konvention; dies ist ein Abkommen, das erst durch individuelle Zustimmung in den Mitgliedstaaten in Kraft tritt, wobei häufig eine Mindest-
zahl der für das Inkrafttreten notwendigen Staaten festgelegt wird. Mehrheitsentscheidungen werden im Europarat in der Regel nicht getroffen.
Der Haushalt des Europarates ist mit 163 Millionen Euro jähr-
lich (2001) im Vergleich zur EU (rund 100 Milliarden Euro pro Jahr) sehr begrenzt. Trotzdem erwarb sich der heute mehr als 40 Länder umfassende Europa-
rat erhebliche Verdienste um die Achtung der Menschenrech-
te, bei der Rechtsangleichung, bei der kulturellen Zusammen-
arbeit und bei der Verteidigung demokratischer Prinzipien.
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl: Am 23. Juli 1952 trat der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) in Kraft. Die EGKS ging auf einen Vorschlag des französischen Außen-
ministers Robert Schuman vom 9. Mai 1950 zurück. Mit diesem Vertrag wurde ein gemeinsa-
mer Markt für Schlüsselindu-
strien errichtet, der supra-

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nationalen Regelungen unterworfen war. Die Verwaltung übernahm eine "Hohe Behörde", aus der heraus sich später die Europäische Kommission entwickelte. Rechts-
streitigkeiten sollten vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geschlichtet werden.
Zu den EGKS-Gründungsmit-
gliedern zählen Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg.

Die Gründung der EGKS erfolgte vordergründig aus wirtschaftlichen Erwägungen, doch stand dahinter auch das Anliegen der deutsch-
französischen Aussöhnung und der dauerhaften Friedenssiche-
rung durch die gemeinsame Kontrolle der Kohle- und Stahlproduktion, die für den Wiederaufbau in Europa, aber auch für eine mögliche Wieder-
aufrüstung von ausschlag-
gebender Bedeutung war.
Somit wurde mit der EGKS erstmals der Versuch unter-
nommen, einen begrenzten

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Teilbereich staatlichen Handelns europäisch zu entscheiden. Der Vertragstext betont zugleich, dass damit ein "erster Grundstein für die weitere und vertiefte Gemeinschaft unter Völkern" gelegt wird. Der EGKS-Vertrag war auf 50 Jahre begrenzt und ist 2002 im EG-Vertrag aufgegangen.
Europäische Verteidigungsgemeinschaft: 1953/54 verhandelten die EGKS-Staaten - veranlasst durch die Korea-Krise und durch den Expansionsdrang der kommunistischen Staaten in Europa - über die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) mit einer gemeinsamen europäischen Armee. In diesem Zusammenhang wurde auch der Entwurf für eine umfassende europäische Verfassung einschließlich eines starken Europäischen Parlaments ausgearbeitet. Innenpolitische Widerstände in Frankreich, dessen Regierung gerade gewechselt hatte, und die Beruhigung der internationalen Lage verhinderten jedoch ein Zustandekommen der EVG. Damit scheiterte auch der erste umfassende Vorstoß zur Gründung eines politischen Zusammenschlusses in Europa.
EWG und Euratom: Am 1. Januar 1958 traten die Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) in Kraft. Die EWG hatte die Schaffung eines gemeinsamen Marktes zum Ziel, in dem Waren, Personen, Dienstleistun-
gen und Kapital frei zirkulieren konnten. Daneben vereinbarten die Vertragspartner eine gemeinsame Außenhandelspolitik und eine gemeinsame Agrarpolitik. Die Entschei-
dungsstrukturen wurden weitgehend von der EGKS übernommen, doch existierten die Organe von EGKS, EWG und Euratom zunächst nebeneinander. Die Gründung der EWG hat sich bis heute als das wichtigste Ereignis in der Geschichte der europäischen Einigung

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Von der EWG zur EU

erwiesen. Vor allem von dem Ziel eines gemeinsamen Binnenmarktes zwischen den Vertragsstaaten gingen starke Einigungs-
impulse aus.
Europäische Gemeinschaft: 1967 entstand durch die Zusammenlegung der Organe der drei Teilgemeinschaften EGKS, EWG und Euratom die Europäische Gemeinschaft (EG), die mit dem Fusionsvertrag vom 8. April 1965 vereinbart worden war. Durch den Zusammen-
schluss der Entscheidungsorgane Rat, Kom-
mission, Parlament und Europäischer Gerichtshof wurde die Verwaltung der drei Teilgemeinschaften effizienter gestaltet. Vor allem konnten so auch Kosten eingespart werden.
Europäische Politische Zusammenarbeit: Um besser auf außenpolitische Anforderungen reagieren zu können, beschlossen die EG-Staaten 1970 die Gründung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ). Diese wurde jedoch nicht in den EG-Rahmen inte-
griert, sondern beruhte auf der freiwilligen Zusammenarbeit der Regierungen. Im Rahmen der EPZ stimmten die EG-Staaten ihre

außenpolitischen Positionen ab und vereinbar-
ten die Vertretung gemeinsamer Standpunkte in internationalen Konferenzen und Gremien wie den Vereinten Nationen, der Welthandels-
konferenz oder in internationalen Entwick-
lungskonferenzen. Dieses Ziel konnte jedoch - vor allem bei zentralen Fragen der internatio-
nalen Politik - häufig nicht erreicht werden.
"Norderweiterung": Am 1. Januar 1973 traten Großbritannien, Dänemark und Irland der EG bei. Nach einigem Zögern hatten diese Staaten erkannt, dass es für sie wirtschaftlich und politisch erfolgversprechender war, sich am Einigungsprozess zu beteiligen, als weiterhin abseits zu stehen.

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Institutionen

Europäisches Währungssystem: Als Reaktion auf die starken Schwankungen des US-Dollars gründeten 1978 einige EG-Staaten das auf der Zusammenarbeit der jeweiligen Regierungen und Zentralbanken beruhende Europäische Währungssystem (EWS). Ziel war es hierbei, durch Absprachen und durch gezielte Eingriffe in den Markt die Schwankungen zwischen den Kursen der beteiligten Währungen zu begren-
zen. Die neue gemeinsame Verrechnungs-
einheit wurde ECU genannt.
Erste Direktwahlen: 1979 fanden erstmals Direktwahlen zum Europäischen Parlament statt. Damit wurde ein bereits 1976 vereinbartes Ziel der Regierungen umgesetzt. Vor allem die Niederlande hatten darauf gedrängt, dass die 1970 beschlossene und 1975 in den Details geregelte Einführung eines eigenen EG-Haushaltes von einer nachhaltigen Stärkung der Demokratie in der EU begleitet sein sollte. Die europäischen Bürgerinnen und Bürger sind seit 1979 regelmäßig im Abstand von fünf Jahren aufgerufen, ihre Abgeordneten für das Europäische Parlament direkt zu wählen.
"Süderweiterung": 1981/86 traten Griechenland, Spanien und Portugal der EG bei. Damit umfasste die Gemeinschaft insgesamt 320 Millionen Einwohnerrinnen und Einwohner aus zwölf Ländern. Obwohl wirtschaftliche Gründe eher dagegen sprachen, hatten die Staats- und Regierungschefs der EG den drei Staaten, in denen in den siebziger Jahren Militärregime an der Macht waren, zugesagt, dass sie nach Wiederherstellung der Demokratie Mitglieder der Gemeinschaft werden könnten.

Einheitliche Europäische Akte: Im Juli 1987 wurde mit In-Kraft-Treten der Einheitlichen Europäischen Akte die erste größere Reform der EG-Verträge verwirklicht. Vor allem sollte der bereits 1957 vereinbarte Binnenmarkt bis 1993 endlich vollendet werden. Deshalb wurden die Entscheidungsverfahren der EG, die wegen des Einstimmigkeitserfordernisses im Rat häufig blockiert waren, durch Verein-
barung häufigerer Mehrheitsabstimmungen im Ministerrat und eine Aufwertung des Parla-
ments deutlich gestärkt. Zudem weiteten die Vertragspartner die Zuständigkeiten der EG in den Bereichen Umweltschutz sowie Forschung

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und Technologie aus und fixierten die 1970 vereinbarte Europäische Politische Zusam-
menarbeit erstmals in einem Vertrag.
Deutsche Einigung: Mit dem Vollzug der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 wurden die fünf ostdeutschen Bundesländer zugleich Teil der EU. Damit gehörten der Europäischen Gemeinschaft rund 340 Millionen Menschen an.

Schlaglicht
Der Souveränitätsvertrag und die deutsche Einheit
Die Außenminister vereinbarten, die Vier-Mächte-Rechte bereits am 3. Oktober 1990 - noch vor der Ratifizierung des Vertrages durch die Parlamente - zu suspendieren. Damit erhielt das vereinte Deutschland seine volle und uneingeschränkte Souveränität.

Europäischer Binnenmarkt: Bis zum Ende des Jahres 1992 wurde die Vollendung des europäischen Binnenmarkts erreicht. Dabei ging es vor allem um die vollständige Öffnung der Grenzen zwischen den EU-Staaten für Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Das Europäische Parlament und die Gewerkschaften drängten darauf, dass hierbei auch die soziale und die politische Dimension nicht vernachlässigt wurden. Dieses Ziel konnte in Teilen mit der Einigung auf das 1992 dem Vertrag von Maastricht beigefügte Protokoll über die Sozialpolitik erreicht werden, das 1997 nach dem Regierungs-
wechsel von den Konservativen zu Labour in Großbritannien Bestandteil des EG-Vertrages wurde.
Maastrichter Vertrag: Der Maastrichter Vertrag von 1992 enthielt die Vereinbarung, die Euro-
päische Gemeinschaft nunmehr Europäische Union zu nennen. Unter dem Dach gemeinsa-
mer Institutionen existieren die zuvor bestehenden Teilgemeinschaften EG, EGKS (bis 2002) sowie Euratom rechtlich fort.
Zudem wurde vereinbart, die vorherige - nur begrenzt verbindliche - währungspolitische Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Währungssystems in die Europäische Währungsunion zu überführen. Hierzu gehörte auch die Einführung des Euro als gemeinsame europäische Währung für 1999 (Umstellung der Konten) bzw. 2002 (Einführung des Bargeldes).

Schlaglicht
Währungsunion und Einigungsvertrag
Am 23. August fasste die Volkskammer den Beschluss, den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nach Art. 23 GG am 3. Oktober zu vollziehen. Am 31. August unterzeichneten die Verhandlungsführer, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und DDR-Staatssekretär Günther Krause, in Ost-Berlin den Einigungsvertrag.

Außerdem verpflichteten sich die Vertragspart-
ner zu einer engeren Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Innen- und Justizpolitik, wobei diese Politik-
bereiche jedoch von den Gemeinschaftsver-
fahren ausgeschlossen blieben. Außerdem wurden die Rechte des Europäischen Parla-
ments weiter ausgebaut.
EFTA-Erweiterung: Am 1. Januar 1995 traten mit Finnland, Österreich und Schweden drei Staaten der Europäischen Freihandelszone (European Free Trade Association/EFTA) der EU bei. Die Zahl der Mitglieder stieg damit auf 15 an. Vertrag von Amsterdam: Der Vertrag von Amsterdam brachte 1997 eine Reihe von weiteren Neuerungen, die in einigen Bereichen zu einer Stärkung der Gemeinschaftsstruk-
turen führten: Teile der Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik wurden den

Mitwirkungsmöglichkeiten der Gemeinschaftsorgane zugänglich gemacht. Die demokratische Legitimation der EU stieg, denn der Anwendungsbereich des Mitentscheidungs-
verfahrens, bei dem das Europäische Parlament gleichberechtigt neben dem Rat an der Entscheidungsfindung mitwirkt, weitete sich deutlich aus. Gleichzeitig wurde eine Flexibilitätsklausel eingeführt, die für definierte Anwendungsfälle ein Handeln der EU auch dann ermöglicht, wenn sich nicht alle EU-Staaten beteiligen wollen. Die Medien kom-
mentierten den Vertrag jedoch überwiegend negativ und kritisierten vor allem die fehlende Reform der institutionellen Verfahren mit Blick auf die damals bereits absehbare EU-Osterweiterung.

Schlaglicht
Europa wird größer - die Osterweiterung der EU
So nahm die Europäische Union (EU) mit zwölf beitrittswilligen Ländern Verhandlungen auf: Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Estland, Slowenien, Zypern, Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Lettland, Litauen und Malta. Die Türkei hat als 13. Land 1999 den Kandidatenstatus erhalten.

Vertrag von Nizza: In Nizza beschloss der Europäische Rat im Dezember 2000 eine Überarbeitung der europäischen Verträge im Hinblick auf die institutionellen Notwendig-
keiten der EU-Osterweiterung. Künftig soll jeder EU-Mitgliedstaat nur noch ein Mitglied der Kommission benennen dürfen. Die wenig überzeugenden Regelungen unter anderem bei der Stimmengewichtung im Rat riefen jedoch im Europäischen Parlament und in der Presse deutliche Kritik hervor.
Ein positives Echo fanden allerdings die feierliche Proklamation der Charta der Grundrechte der Unionsbürgerinnen und -bürger und die dem Vertrag von Nizza beigefügte "Erklärung zur Zukunft der Union", in der eine neue Reformrunde vereinbart wurde. Diese soll sich vor allem mit der Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten befassen und die Frage der Rechtsverbindlichkeit der Grund-
rechtscharta prüfen. Im Ergebnis könnte diese Reformrunde zur Erarbeitung der Europäischen Verfassung führen. Den Auftrag hierzu erhielt der im Februar 2002 eingesetzte Konvent zur Zukunft der EU.
Neue Erweiterungsrunde: Der Europäische Rat beschloss bei seinem Treffen im Dezember 2002 in Kopenhagen den Beitritt von acht mittel- und osteuropäischen Staaten sowie von Malta und Zypern zur EU. Für verschiedene Bereiche (Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Umweltstandards) wurden langjährige Über-
gangsfristen vereinbart. Die Beitrittsakte wurde am 16. April 2003 unterzeichnet. Der Beitritt trat am 1. Mai 2004 in Kraft; damit können die Bürgerinnen und Bürger in den neuen EU-Staaten bereits an der Europawahl im Juni 2004 teilnehmen.

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Europauniversität

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Beitrittskandidaten

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