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1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
2. Weltkrieg
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Josef Schmölders
1924 - 2004

Grabenkämpfe
Soldat (Heer) von März 1942 bis April 1945 als Gefreiter (Infant.)

Stationen u.a.: Gleiwitz, Marburg, Wetzlar, Berlin, Ostpreußen, Danzig, Russland (Stalino, Krimskaja, Simferopol, Kubanbrückenkopf, Kaukasus, Cherson, Pripjet, Beresina), Polen (Kielce, Zydrardow, Lomza am Narew, Stankowo, Kruszewo, Nähe Warschau).

Gefangenschaft (amerikanische) von April 1945 bis Juni 1945 in Oberbayern (u.a. Garmisch-Partenkirchen).


"Wojena tschjort, Krieg Sch...!"

"Im Morgengrauen des 14.02.1945 ging ich mit noch vier Kameraden unter starkem Granatwerferfeuer an einen Waldrand. Wir wussten nicht mehr so recht wo Norden war, dort wo hoffentlich die einzige Fluchtmöglichkeit noch bestand. Wieder einmal hörte ich das "Stopfen" der russischen Granatwerfer, suchte irgendwo Deckung, die wir in dem flachen Gelände nicht fanden. Eine ganze Serie prasselte auf uns hernieder. Rechts und links krachte es. Ich spürte einen Schlag am rechten Oberschenkel, drei Meter neben mir standen zwei Pferde, die von den meisten Splittern getroffen wurden. So kam ich mal wieder mit einer leichten Verwundung davon. Ich erhielt eine Spritze, wurde verbunden und legte mich im erstbesten Haus schlafen. Ich wollte an sonst nichts mehr denken.
"In dieser Nacht wurde ich etwas unsanft angebrüllt: "Der Iwan ist durchgebrochen!" "Verdammter Mist!" rief ich. Gab es denn keine Ruhe, wurde man nur noch gejagt wie ein Stück Wild? Ich suchte meinen ganzen Fluchtschatz zusammen und begab mich auf den Weg.
Eine Polin kam ganz verstört ins Haus und sagte: "Ein Russe im Keller". Sie zeigte mir den Kellereingang. Ich zog meine Pistole und ging vorsichtig die Stufen hinunter. Kerzenlicht und dumpfe Luft flammten mir entgegen. Ich brüllte auf russisch: "Idi suda, ruki wersch!" (Komm` zu mir, Hände hoch!)
Eine verschüchterte Gestalt kam mit erhobenen Händen aus einer Ecke angekrochen. Beim Durchsuchen seiner Taschen fand ich eine Eierhandgranate und eine deutsche Taschenuhr, die er sicher einem gefallenen deutschen Soldaten abgenommen hatte. Ich fragte ihn: "Du germanski Soldat sabserab?" (Sabserab = getötet) "Nijet, nijet", beteuerte er. Ich brachte ihn zum Regimentsgefechtsstand. Die Uhr wanderte jedoch in meine Tasche.

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2. Weltkrieg
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Grabenkämpfe
Drei Tage hatten wir Ruhe. Der Feind sammelte sich zum weiteren Angriff. Seine Verluste waren sicher enorm, seine Moral bei weitem besser als unsere. Unser Stoßzug, oder was davon noch übrig war, wurde wieder aufgelöst und als Reservegruppe einer Kompanie zugeteilt. Die lag auf einer Anhöhe in Stellung. Am Abend wurden wir nach rechts zu einer Hauptrollbahn in der Nähe des Dorfes Seefeld verschoben. Schon beim Marsch zu diesem Ort wurden wir von russischer Pak unter Feuer genommen. Kaum hatten wir in einem Haus den Kompaniegefechtsstand eingerichtet, als ein Melder atemlos angestürmt kam und schrie: "Sofort raus, der Iwan ist am linken Dorfrand durchgesickert." Er selbst haute gleich wieder ab. Mitten durch das Dorf Seefeld riegelten wir die Einbruchstelle ab und warteten auf Verstärkung. Die ganze Nacht konnten wir die Russen mit unseren MGs in Schach halten. Gegen Morgen kamen Pioniere mit Panzerfäusten und Ofenrohren, der Gegenstoß konnte beginnen. Mit meinem neuen Freund Franz stand ich an einer Hausecke als er brüllte: "He Jupp, schau mal nach rechts rüber, dahinten knallen unsere Landser auf etwas Bestimmtes, ich kann von hier nichts sehen!" Nichts Böses denkend ging ich einen kleinen Hügel hoch, der mir die Sicht nahm. Oh Schreck, etwa 30 Meter vor mir kam in vollem Galopp ein feindliches Pakgeschütz auf mich zugefahren. Zwei Mann saßen auf dem Bock, einer lief hinterher, blieb aber dann zurück. Was sollte ich machen? Nach einer Schrecksekunde ging alles blitzschnell. Ich riss mein Sturmgewehr hoch, traf einen von ihnen, dann sprang ich hinzu und hielt dem anderen das Gewehr vor die Brust. Der arme Kerl vergaß vor Schreck die Hände hochzuheben. Seine Schusswaffe (ein Karabiner), riss ich an mich und gab sie Franz. Der wusste vor Staunen nicht, was er sagen sollte. Es kam ja auch nicht oft vor, dass man ein ganzes Pakgeschütz (Panzerabwehr) mit zwei Pferden und Munition erbeutete. Von links brüllten Kameraden: "Dahinten ist noch einer!" Ach ja, da war der Russe, der zurückgeblieben war. Er hatte sicher gesehen, was mit seinen Kameraden passiert war und versuchte in einer Mulde zu entkommen. In ein paar Sprüngen hatte ich die trennenden 40 Meter zurückgelegt. Ein Drahtzaun hinderte mich, noch näher heranzukommen, und zehn Meter lagen zwischen uns. Ich forderte ihn auf russisch auf, sich zu ergeben. Sekundenlang blickte er mich mit hasserfüllten Augen an, riss sein Gewehr hoch und wollte auf mich schießen. Mein Sturmgewehr schmetterte los, tödlich getroffen brach er zusammen. Warum hatte er sich nicht ergeben? Hatte er vor uns Deutschen soviel Angst wie wir vor den Russen? Ich kannte ihn doch gar nicht, er hatte mir doch nichts getan. Es war ein einziger Wahnsinn hier draußen. Ich lief zurück und sah den Russen, den ich anfangs getroffen hatte. Er stöhnte vor Schmerzen. Der arme Kerl musste einen Bauchschuss bekommen haben. Ich sagte ihm ein paar tröstende Worte und strich ihm mit der Hand übers das Gesicht. Er sagte: "Ouh Pan (Herr), ouh Pan!" Ich antwortete nur: "Wojena tschjort, Krieg Scheiße!""

Zerstörtes russisches Dorf.Zerstörtes russisches Dorf.




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Grabenkämpfe
Rückzug in der Kälte

"Es war der 18.01.1945, die ganze Nacht marschierten wir auf unbekannten Wegen gen Norden. Wir kamen an Krasnosielk vorbei und sahen, wie es lichterloh brannte. Plötzlich ein starkes Motorengeräusch. Schlachtflieger griffen die mit Soldaten und Fahrzeugen vollgestopfte Straße an. Bordwaffengeschosse und Bomben prasselten auf uns hernieder, Granatsplitter flogen durch die Luft. Verwundete schrie auf. Schnell war der ganze Spuck vorbei. Bei der 9. Kompanie war der ganze Führungsstab ausgefallen, entweder tot oder verwundet. Am Nachmittag lag das Gelände um Krasnosielk unter starkem Artilleriebeschuss. Unheimlich schnell musste der Russe, nachdem wir das Kreuzbergtal verlassen hatten, nachgestoßen sein. Die Kompanien unserer Einheit bezogen mal wieder eine sogenannte Auffangstellung. Wir saßen machtlos da und warteten auf Befehle. War überhaupt noch ein Bataillons-Gefechtsstand da? Plötzlich fiel ein Landser in einen Graben und schrie: "Los raus, der Russe ist da". Alles haute ab, keiner wusste mehr wo vorne und hinten war. Ein Zusammenhalt der Front bestand nicht mehr. Wir ahnten nicht, dass Willenberg und Ortelsburg schon gefallen waren. Zum Rückzug blieb uns nur noch einer kleiner Schlauch offen. Wieder mussten wir durch starkes Artillerie- und MG-Feuer um unser bisschen Leben laufen. Die Splitterwirkung der Granaten war durch den hart gefrorenen Boden verheerend. Die Außentemperatur lag bei 25 Grad Minus. Was war hier überhaupt noch ein Menschenleben wert? Wahrscheinlich nicht mehr als ein Insekt, das man zertrat. Herbert, mein Schütze II, brach zusammen. Ein Granatsplitter hatte seinen Oberschenkel durchschlagen, ein anderer Soldat erhielt einen Beindurchschuss. Wir konnten sie beide noch zurückschaffen.
Dieses Trommelfeuer war der helle Wahnsinn. Sechs Mann waren wir noch von unserer Kompanie. Keiner wusste, wo die Einheit mit dem Tross lag. Russische Schlachtflieger flogen mit modernsten, neuen englischen und amerikanischen Maschinen pausenlos über uns hinweg; eine Flakabwehr gab es nicht mehr. Wütend warf ich mein MG in eine Astgabel und jagte einen Gurt hinter einen allzu frechen Maschine her. Eigentlich zwecklos, denn nur durch einen Zufall hätte ich sie treffen können. Wieder überkam mich ein Gefühl der Machtlosigkeit. Warum waren keine deutschen Jagdflugzeuge da?
Endlich fanden wir in einem versteckten Dorf unseren Tross. Wir empfingen Munition und MG-Ersatzteile, bekamen etwas zu essen und gingen am 20.01.1945 wieder vor. Was jetzt vorne los war, wusste keiner; es knallte an allen Ecken und Enden, überall brannten Häuser und Scheunen. Wir hielten ein Forsthaus besetzt und bildeten eine Igelstellung. Doch wo hatte man uns hingestellt? Eine Waldschneise, nur Bäume, keine 20 Meter Blickfeld. Wer hatte so etwas Hirnverbranntes befohlen? Die anderen Einheiten hatten sich in der Nacht abgesetzt; wir sollten hier die Russen erwarten und aufhalten.
Ein Spähtrupp wurde ausgeschickt. Er stellte fest, dass das Gelände noch etwa 500 vor uns feindfrei war. Etwa zwei Stunden warteten wir vergebens auf einen Angriff der Russen.
Plötzlich auf der rechten Seite eine mächtige Knallerei. Handgranaten wurden geworfen, man hörte das langsame Knattern der russischen MGs, Geschosse pfiffen an uns vorbei. Mein MG konnte ich in dem hohen Schnee nicht richtig in Stellung bringen. Kämpfens zogen wir uns zurück, nur raus aus diesem elenden, unübersichtlichen Wald.
Sofort hatte der Russe Pakgeschütze - wir nannten sie "Ratsch-Bum" (Abschuss und Einschlag war nur ein Knall) in Stellung gebracht und jagte Granate auf Granate hinter uns her. Man musste den Russen bewundern, wie schnell er bei dem Schnee seine schweren Waffen nachzog.

Eine sogenannte Eine sogenannte "Rollbahn" (Matsch-Strasse) in Russland.

Der Wald hörte nach etwa zwei Kilometern auf, man sah nur noch freies Gelände. Warum konnten wir hier nicht in Stellung gegangen sein? Viele Opfer wären uns erspart geblieben. Wir hatten bei den Kämpfen um dieses Forsthaus 11 Tote, 30 Verwundete und eine nicht feststellbare Anzahl von Vermissten. Diese Art von Kriegsführung konnten wir nicht verstehen.
Ein Kamerad aus dem schönen Städtchen Kleve am Niederrhein kehrte nicht mehr zurück. Er gehörte zu den Vermissten, die wohl nie mehr ihre Heimat wiedersehen sollten. Ich dachte, wann wird mich wohl endlich der Teufel holen? Bei soviel Remmidemmi hält`s doch keiner lange aus.

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Grabenkämpfe
Am Abend, nachdem unser nur noch 12 Mann starke Stoßzug einen Stützpunkt besetzt hielt, kam der Befehl zum Absetzen. Wir sollten uns auf eine gut ausgebaute Linie, 33 km vor der deutschen Reichgrenze zurückziehen und die "Stellung" endgültig halten. 20 km schleiften wir in der Nacht unsere übermüdeten Körper bis zur neuen Linie, die an einem zugefrorenen Fluss lag. Wir erhielten saures und eiskaltes Essen. Das gefrorene Brot bewirkte Leibschmerzen. Die allgemeine Stimmung sank auf den Nullpunkt. Mein neuer Kamerad Eugen Wende hatte noch den meisten Humor; er lachte und witzelte immer wieder. Von diesem Tag an sah man drei Soldatenfreunde stetig zusammen, Eugen Wende, Otto Walbersdorf, den wir scherzweise "Oma" nannten, und mich.
Unsere Hoffnung auf etwas Ruhe und Schlaf wurde durch einen Befehl zunichte gemacht. Der Stoßzug hatte jetzt die unangenehme Aufgabe, die Nachhut zu bilden. Den Russen sollten wir 500 m vor einem Fluss erwarten, anschießen und uns dann auf die eigentliche Hauptkampflinie (HKL) zurückziehen. Da der Feind in der Nacht sowieso nicht zu erwarten war, stellten wir einen Posten auf und legten uns hundemüde in den Straßengraben. Kälte und Schnee spürten wir nicht mehr.
Der Morgen kam. Krachend, mit gewaltigem Getöse flog hinter uns die Brücke in die Luft. Wir sollten uns später über den zugefrorenen Fluss zurückziehen. Den ganzen Morgen erwarteten wir vergebens den Feind.
Gegen Mittag kamen uns auf der geteerten Straße zwei Soldaten in weißen Tarnanzügen entgegen. Sie machten den Eindruck totaler Betrunkenheit. "Oma" Walbersdorf meinte, die sähen ja wie Deutsche aus. "Quatsch", brüllte ich, griff zum erstbesten Gewehr, nahm einen aufs Korn und drückte ab. Ich sah noch, dass er zusammenbrach und sich in den Straßengraben rollte. Jetzt wurden wir sofort von russischen MPi`s begrüßt. Ich sprang hinter mein Maschinengewehr und hielt die Russen mit einigen Feuerstößen in Schacht. Wir zogen uns über den Fluss am Uferhang zurück. Zwei Mann von unserer Truppe kamen der Sprengstelle zu nahe und brachen ein. Unter starkem Beschuss zogen wir die beiden, ohne eigene Verluste wieder raus. Sofort hatte der Russen Pakgeschütze und Granatwerfer in Stellung gebracht, und belegte unser Wäldchen mit Granaten. Ein Kamerad fiel, ein anderer wurde verwundet.
Nachts wurde unsere kleine Gruppe als Reservegruppe einer fremden Kompanie zugeteilt. Gott sei Dank konnten wir schlafen. Doch was war mit mir los? Meine ganze Sicherheit hatte mich verlassen. Ich war unruhig, fand keinen Schlaf. Ich bildete mir ein, morgen bist du dran, morgen holt dich der Teufel. Doch jagte ich die schlimmen Gedanken fort und zwang mich zur Ruhe. Wenn`s mich bei Zambrow im wahnsinnigsten Trommelfeuer nicht erwischt hatte, würde wohl auch hier alles gut gehen.
Endlich war die Nacht mit den quälenden Gedanken vorbei. Schon sehr früh deckte der "Iwan" das Gelände mit Pak und Granatwerfer ein. Gegen 9 Uhr kam plötzlich der Befehl: "Alles sofort absetzen und so ungesehen wie möglich!" Ich musste an die dummen Gedanken der Nacht denken. Einzeln sprangen wir über die Straße, die vom Feind eingesehen werden konnte. Vereinzelt schlugen Granaten ein, doch das störte wenig. Andere Gruppen von der linken Seite kamen uns entgegen, alles lief auf einen Haufen zusammen. Auf meine Ermahnung, doch auseinander zu gehen, hörte man nicht. Die Landser waren stur.
Ich ging nach rechts von dem Haufen weg, damit nicht durch mögliche Granatentreffer gleich eine große Anzahl von Leuten ausfiel. Etwa 20 Meter war ich von meinen Kameraden entfernt, als 8 m neben mir eine Granate einschlug. Ich spürte einen Schlag und Schmerzen am rechten Oberarm. Warmes Blut lief herunter. Durch den Schock fing ich an zu laufen und war bald wieder bei meinen Kameraden. Also hatte ich doch etwas geahnt; die Besorgnisse der letzten Nacht waren kein Trug gewesen. Ich war froh für diese leichte Verwundung, weil ich dadurch einige Tage von dem Kampfgetümmel Pause machen konnte.
Nach etwa drei Kilometern Marsch passierte ich die deutsche Reichsgrenze nach Ostpreußen. Es muss wohl zwischen den Städten Allenstein, Ortelsburg in Richtung Bischofsburg, Heilsberg entlang der heutigen polnischen Nationalstraße Nr. 599 gewesen sein. Der Fluss mit der gesprengten Brücke musste "Omulew" heißen. Mit einem Panzerfahrzeug fuhr man mich zum Hauptverbandsplatz, den ich am Abend erreichte.
Nach einer kurzen Untersuchung wurde der Verband erneuert. Ich erhielt eine Tetanusspritze und zehn Tage Ruhe beim Tross. Mehr war auch wohl im Hinblick auf die allgemeine Lage nicht zu erwarten.
Drei Tage irrte ich daraufhin umher und fand endlich unseren Tross. Kanonendonner und Geschützfeuer begleitete uns von allen Seiten. Der Russe nahm uns in die Zange. Ich erlebte jetzt hier beim Rückzug die großen Leiden der Zivilbevölkerung. Unvorstellbar, was sie bei Kälte und Schnee erleiden mussten. Alles floh vor den Russen mit Pferdefuhrwerken, Handwagen, zu Fuß oder mit Schlitten. Was später zu schwer wurde, landete in Straßengraben. Das wir dies alles unserem "heißgeliebten Führer" zu verdanken hatten, konnten oder wollten wir damals nicht glauben.
Zu essen hatten wir in diesem Dilemma reichlich. Unglaublich was die Bevölkerung an Nahrungsmitteln zurücklassen musste. Die Straßen und Rollbahnen waren vollgestopft waren vollgestopft mit Flüchtlingstrecks. Tag und Nacht ging die Fahrt immer nordwärts, dem - so glaubte man - rettenden Meer entgegen.
Am 03.02.1945 ging ich in der Nacht wieder vor zu meinen Kameraden. Die Trossleute hatten mir ein nagelneues Sturmgewehr geschenkt. Ein kleines handliches MG, für das ich keine Munitionsträger mehr brauchte. Die Wiedersehensfreude meiner Kameraden, besonders bei Eugen Wende und "Oma" Walbersdorf, war groß. Sie empfingen mich mit einer Flasche Schnaps. Ich ließ mich nicht nötigen und trank etwas mehr als einen Schluck. Weiß der Teufel, wo sie das Zeug her hatten, aber verdammt gut war es schon.
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Grabenkämpfe
Leider waren in den Tagen wieder einige von den Alten im Feld geblieben, darunter mein letzter Schütze II, Herbert Minke, dem ein Splitter im Schlaf die Schädeldecke aufgerissen hatte. Die jetzige Stellung lag in der Nähe von Heilsberg, das schon mehrmals den Besitzer gewechselt hatte.
Das ganze Gelände, eine Höhe von der wir auf die Stadt Heilsberg schauen konnten, belegte der Russe am Morgen mit Granaten. In einem von uns besetzt gehaltenen Dorf, links von uns fand eine wüste Knallerei statt. Schlacht-Gebrüll des Feindes. Er brach ein und versuchte uns einzuschließen. Wir mussten zurück, MGs schossen hinter uns her. Neben mir schrie einer auf. Er erhielt einen Beinschuss und wurde weggeschafft. Unser Leutnant kam mit einem Armschuss davon. Der sogenannte Stoßzug war weiter zusammengeschmolzen. Der Kessel Ostpreußen wurde immer kleiner. Nachschub an frischen Truppen gab es nicht. Die dabei waren, hatten immer mehr die "Schnauze voll". Der Russe stand vor Königsberg und Elbing. Nur über den Seeweg konnte man noch Hoffnung haben, dem Inferno zu entkommen. Gegen Abend sammelten wir uns auf einem Gutshof. Unser Regiment, es waren keine 30 Mann mehr, wurde aufgelöst und innerhalb der Division verteilt. Gegen Morgen gingen unser Bataillons-Kommandeur, zwei Landser und ich rückwärts zum Gefechtsstand. Kaum hatten wir das Gut verlassen, als drei Meter vor uns eine Granate einschlug. Splitter zischten uns um die Ohren. Doch wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
Unser Stoßzug wurde zum Gefechtsstand als Reserve zurückgezogen, um im Falle eines Durchbruchs sofort eingreifen zu können. Wir konnten schlafen und uns nach den Anstrengungen des Tages etwas ausruhen. In der Frühe ging die Ballerei wieder los. Eine 8,8 - Flakbatterie und ein paar Sturmgeschütze verhinderten einen wesentlichen Durchbruch des Feindes. In einem Dorf an der rechten Seite brannte fast alle Häuser. Alleinstehende Bauernhöfe gingen durch den starken Beschuss in Flammen auf. Die Verluste unsererseits waren gering. Der Bataillonsgefechtsstand wurde noch weiter rückwärts verlegt. Nachts erhielt unser Stoßzug den Befehl, einen gegen eines der vom Feind besetzten Häuser zu unternehmen. 15 Mann wurden ausgesucht. Eugen Wende und ich wurden nicht mit eingeteilt. Welches Glück wir hatten, wussten wir erst ein paar Stunden später. Das Unternehmen sollte durch ein Pakgeschütz unterstützt werden. So gegen ein Uhr nachts verabschiedete sich "Oma" Walbersdorf von uns und sagte: "Jetzt holen wir uns einen schönen Heimatschuss". Wir wünschten noch Hals und Beinbruch, ahnten aber nicht, dass es der letzte Gruß an einen lieben Kameraden war. Wir warteten drei bis vier qualvolle Stunden. Endlich gegen morgen kamen die restlichen Leute niedergeschlagen zurück. Alles war schief gelaufen; Vier Kameraden blieben gefallen draußen liegen, drei wurden schwer verwundet. Erreicht hatte man nichts. Unter den Gefallenen auch "Oma", unser bester Kamerad. Er hatte seine Hilfsbereitschaft mit dem Leben bezahlt. Bedenkenlos war er aus seinem schützenden Erdloch gesprungen, um einem verwundetem Kameraden zu helfen. Dabei erwischte ihn die tödliche Kugel. Der Verlust traf uns alle schwer. Es war einfach unfassbar. Sechs mal war er schon verwundet gewesen, kein Trommelfeuer konnte ihm etwas anhaben, und bei einem vergleichsweise so lächerlichen Unternehmen musste er fallen...


Kampf im Kreuzbergtal

Ein weiterer Abschnitt aus dem Kriegstagebuch von Josef Schmölders:
Vom Kreuzberg wurde unser Stoßzug weiter rückwärts in ein kleines Dorf mit Namen "Leg" verlegt. Wir hatten dort ein ruhiges Leben in einem kleinen Haus und konnten den ganzen Tag schlafen. Unter dem Zimmerboden war ein Keller voller Kartoffeln gegen unseren Hunger. Von langer Dauer konnte dies wohl nicht sein, denn ein schrecklicher Großangriff musste unmittelbar bevorstehen. Unser Grabenhund - er sollte eventuelle Angriffe rechtzeitig melden - hatte sich aus dem Staub gemacht. Ob er etwas geahnt hatte?
Dann kam der 14. Januar 1945. Unser Unteroffizier sagte, dass der Kompaniechef von einem Großangriff erzählt hatte. Er hielt das aber für Quatsch. Doch ein dumpfes und immer stärker werdendes Grollen kündigte das für uns so bedrohliche Trommelfeuer der schweren 17.2 Geschütze der Russen an. Verstreut und noch in einiger Entfernung schlugen die ersten schweren Granaten ein. Wir gingen sofort seitlich von dem Ort in Stellung. Wir hatten unser ruhiges Haus kaum verlassen, als es schwer getroffen wurde. Das Trommelfeuer dauerte fast sechs Stunden, und unsere Nerven waren aufs Äußerste angespannt. Unser Stoßzug lag vorne im Graben und konnte sich also kein Bild vom Stand der Front machen. Hatte sie gehalten? Von verwundeten Kameraden erfuhren wir, dass der Russe noch während des Trommelfeuers mit einer Unmenge an Panzern und Infanterie vorgestoßen war. Er hatte unsere schwach besetzten Gräben überrannt und war schon bis zum Dorfe Kruszewo vorgedrungen. Vierlingsflak im Erdbeschuss und unsere bewährten Sturmgeschütze brachten diesen Großangriff am ersten Tag in der zweiten Linie zum Stehen. Der Kreuzberg wurde unter entsetzlichen Verlusten gehalten. Die Landser in der vordersten Linie wurden bis auf wenige vollständig aufgerieben.

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Grabenkämpfe


In der Nacht kam unser Stoßzug und das ganze 3. Bataillon zum Einsatz. Mehr Reserve war nicht mehr vorhanden. Unser Zug übernahm die Sicherung des Ortes Kruszewo. Auf der linken Seite bestand überhaupt keine zusammenhängende Verbindung, rechts sollten unsere Kompanien sein. Alles sehr fraglich! Gegen Mitternacht setzte vor dem Dorf eine mächtige Knallerei eines unserer schweren Maschinengewehre ein. Es konnte sich aber nicht halten und kam auf unsere Linie zurück.
Im Schein einer Leuchtkugel sah ich, wie sich die Russen im Schutze der Häuser weiter vorarbeiteten. Gurt auf Gurt jagte ich jetzt mit meinem MG ziellos in die Häuserreihen. Zwei Häuser brannten lichterloh. Im Feuerschein zogen sich die Angreifer unter starken Verlusten zurück. Der erste Angriff war abgeschlagen. In einigen Häusern setzte er sich zwar noch fest, wurde aber vom Stoßzug ganz hinausgeworfen.
In der Morgendämmerung hörte ich kurze, aber harte Abschüsse und Granateinschläge ganz in unserer Nähe. Da sah ich auch schon, wie sich fünf dunckle Panzerschatten näher heranschoben. Keine Pak (Panzerabwehrkanone) war da, keine Ari (Artillerie) schoss, keine Panzerfaust, nichts hatten wir. Was wollten wir gegen diese Stahlkästen ausrichten? Keiner wusste mehr, wo vorne und hinten war. Also ging`s zurück bis an den Fluss, der auch in den "Leg" floss. Von Kameraden erfuhren wir, dass Oberfeldwebel Ortel gefallen war und es fünf Verwundete gegeben hatte.
Was rechts und links von uns geschah, wie viele Verluste wir hatten, wussten wir nicht. Als wir den Fluss entlanggingen, sahen wir die Bereitstellungen unser eigenen Panzer der Division "Großdeutschland". Etwa 30 Panzer, 20 Sturmgeschütze, Selbstfahrlafetten und Schützenpanzerwagen warteten auf den nächsten Angriff am Morgen. Alles hielt sich in der großen Ebene am Kreuzberg und an dem Ort Kruszewo auf. Die Kameraden freuten sich beim Anblick von so vielen Panzern, aber als ich an Zambrow und die große Pleite mit 48 Panzern dachte, hielt sich die Freude bei mir in Grenzen.

Solche Panzerattrappen waren im Krieg beliebtes Mittel, um dem Feind Überlegenheit vorzutäuschen.Solche Panzerattrappen waren im Krieg beliebtes Mittel, um dem Feind Überlegenheit vorzutäuschen.

Panzer und Infanterie traten zum Gegenstoß an und kamen gut voran. Die Russen wichen ein großes Stück zurück. Doch dann setzte wieder dieses wahnsinnige Trommelfeuer ein. Obwohl sieben russische T 34 Panzer abgeschossen wurden, hatten wir kaum etwas erreicht. Wir blieben vor dem schicksalhaften Dorf Kruszewo hängen. Nachts bezogen wir neue Stellungen zwischen dem Ort und dem Kreuzberg. Wir gingen in einen von uns gebauten Erdlochbunker, den ein verwundeter russischer Soldat als letzte Zuflucht aufgesucht hatte. Er begrüßte uns mit "Sdrasdwutje" (Begrüßungswort) und ging hinkend nach draußen. Am nächsten Morgen sah ich ihn tot am Boden. Irgendeiner hatte dieses arme Schwein erschossen.
Russische Lautsprecher hatten in der Nacht die Vorzüge der russischen Gefangenschaft gepriesen. Aber da wollte von uns nun sicher keiner hin. In der Frühe ging das Trommelfeuer wieder los, russische Infanterie griff an. Panzer schoben sich vor. Der Russe musste Unmengen Geschütze, Panzer und Soldaten in Reserve gehabt haben. Ich schoss was meine MG hergab und hatte große Angst. Wir konnten uns nicht halten und mussten uns über ein freie Fläche zurückziehen. Eine Panzergranate flog an mir vorbei und riss meinem Kameraden Seitz aus Kleve glatt das rechte Bein ab. Er war mit mir im August 1944 bei Zambrow verwundet worden und erst vor wenigen Tagen nach einem geheilten Bauschuss zu uns gekommen. Ich schrie noch einigen Gewehrschützen zu: "Nehmt ihn mit, lasst ihn nicht liegen". Doch als wir später in der neuen Auffangstellung kamen, war er nicht mit dabei. Einer hatte versucht ihn allein zu tragen, musste dies aber bald aufgeben. So war sich jeder selbst der Nächste, und eine Frau mit zwei Kindern sah ihren Mann nie wieder.
Am Abend wollte ich mit meinen Kameraden nochmal nach vorn, aber alles war schon vom Russen besetzt. In dem ausgebauten Grabensystem richteten wir uns zur Verteidigung ein. Die Glieder waren durch die Kälte erstarrt, die Augen konnte man vor Müdigkeit kaum aufhalten, Hunger war durch die starke seelische Beanspruchung nicht zu spüren. Wenn wir mal etwas Suppe zu essen bekamen, war sie meistens sauer, und den Durst löschten wir mit Schnee.
Am Abend besorgte ich von einem naheliegenden Gehöft etwas Stroh. Unterwegs dorthin musste ich ein paar Mal wegen einschlagender Granaten Deckung nehmen. Herbert, mein Schütze II, übernahm die erste Wache. Übermüdet sank ich auf mein Stohbett und schlief augenblicklich ein. Eine Stunde musste ich wohl geschlafen haben, als ich geweckt wurde. Herbert erzählte mir, in einer halben Stunde sei Absetzen. Ich war demoralisiert dadurch, dass die Front doch nicht gehalten hatte. Ich fragte mich, ob es überhaupt noch einen Zusammenhalt der Front gab? Wir marschierten auf unbekannten Wegen und verließen das Kreuzbergtal, nicht ahnend, wie viele schreckliche Erlebnisse uns noch bevorstehen sollten.

Aus: Jürgen Klosa, "Eine Generation verabschiedet sich", Übach-Palenberg, 2004.
ISBN: 3-00-014237-1

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